Antonio Machado – Notizen zu seinem Leben und einige Gedichte mit deutscher Übersetzung
I. Im Gehen entsteht der Weg
Antonio Machado war ein spanischer Dichter, der vor etwas mehr als 80 Jahren starb und dessen Gedichte in Spanien bis heute gelesen werden. Sein berühmtestes Gedicht ist jedem gebildeten Spanier bekannt, zumal es auch immer wieder vertont wird.
Al andar se hace camino
y al volver la vista atrás
se ve la senda que nunca
se ha de volver a pisar.
Caminante, no hay camino,
sino estelas en la mar.
Caminante, son tus huellas
el camino, y nada más;
caminante, no hay camino,
se hace camino al andar.
Im Gehen entsteht der Weg
Und wenn man zurückschaut
dann sieht man einen Pfad
den man nie wieder betreten wird.
Wanderer, es gibt keinen Weg,
nur das Kräuseln des Kielwassers auf dem Meer.
Wanderer, nur deine Spuren
sind der Weg, und weiter nichts;
Wanderer, es gibt keinen Weg,
Der Weg entsteht im Gehen.
II. … und suche Gott im Nebel
Geboren wurde Antonio Machado am 26. Juli 1875 in Sevilla. Sein Vater war Anthropologe. Machado hatte zwei Brüder, mit denen er sein Leben lang eng verbunden blieb: Manuel Machado (1874 – 1949) war Dichter wie Antonio, und Pepe Machado (1879 – 1958) war bildender Künstler. Antonio schrieb sehr früh melancholische, volksliedhafte Gedichte wie dieses aus seinem ersten Lyrikband, der den Titel „Soledades – Einsamkeiten“ trug.
Es una tarde cenicienta y mustia,
destartalada, como el alma mía;
y es esta vieja angustia
que habita mi usual hipocondría.
La causa de esta angustia no consigo
ni vagamente comprender siquiera;
pero recuerdo y, recordando, digo:
—Sí, yo era niño, y tú, mi compañera.
Y no es verdad, dolor, yo te conozco,
tú eres nostalgia de la vida buena
y soledad de corazón sombrío,
de barco sin naufragio y sin estrella.
Como perro olvidado que no tiene
huella ni olfato y yerra
por los caminos, sin camino, como
el niño que en la noche de una fiesta
se pierde entre el gentío
y el aire polvoriento y las candelas
chispeantes, atónito, y asombra
su corazón de música y de pena,
así voy yo, borracho melancólico,
guitarrista lunático, poeta,
y pobre hombre en sueños,
siempre buscando a Dios entre la niebla.
Ein schwerer Nachmittag aus Asche, dunkel
wie meine Seele, krumm und schief,
und immer Angst, ein düsteres Gemunkel,
das lange schon in meiner Wehmut schlief.
Den Grund für diese Angst erkenn ich nicht und weiß
nicht, wie sie wildert; und wo, an welcher Stelle.
Doch da ist ein Gefühl, das sagt mir leis:
Ich war ein Kind, Du, Angst, warst mein Geselle.
Stimmt es denn, Schmerz, kenn ich Dich nicht?
Du bist die Sehnsucht nach dem guten Leben,
die Einsamkeit der Schatten, die mein Herz durchweben,
das Boot bist Du, das nichts von Schiffbruch weiß noch Sternenlicht.
Wie ein verirrter Hund, der keine
Spur hat und nicht riechen kann und irrt
die Wege, ohne einen Weg zu wissen,
wie ein Kind, das nachts auf einer Fiesta
sich verliert im dichten Drängeln
und der Staubluft, dem Geglitzer
der Lichter, fassungslos, das Herz
bestürzt von Schrecken und Musik,
so geh ich, trüber Tunkenbold
mondsüchtig, Musikant, Poet,
der arme Mensch in Träumen
und suche Gott im Nebel.
III. El limonéro
An seine Kindheit in Sevilla erinnerte sich Machado oft und mit Inbrunst. Zu seiner Mutter hatte er zeitlebens ein herzliches Verhältnis. Sie überlebte ihn um wenige Tage.
El limonero lánguido suspende
una pálida rama polvorienta,
sobre el encanto de la fuente limpia,
y allá en el fondo sueñan
los frutos de oro …
Es una tarde clara,
casi de primavera,
tibia tarde de marzo
que el hálito de abril cercano lleva;
y estoy solo, en el patio silencioso,
buscando una ilusión cándida y vieja:
alguna sombra sobre el blanco muro,
algún recuerdo, en el pretil de piedra
de la fuente, dormido, o, en el aire,
algún vagar de túnica ligera.
En el ambiente de la tarde flota
ese aroma de ausencia.
que dice al alma luminosa: nunca,
y al corazón: espera.
Ese aroma que evoca los fantasmas
de las fragancias vírgenes y muertas.
Sí, te recuerdo, tarde alegre y clara,
casi de primavera,
tarde sin flores, cuando me traías
el buen perfume de la hierbabuena,
y de la buena albahaca,
que tenía mi madre en sus macetas.
Que tú me viste hundir mis manos puras
en el agua serena,
para alcanzar los frutos encantados
que hoy en el fondo de la fuente sueñan …
Sí, te conozco, tarde alegre y clara,
casi de primavera.
Der hinfällige Zitronenbaum neigt
einen staubigen Zweig
über den Zauber des reinen Brunnens,
und dort in der Tiefe träumen
goldene Früchte …
Ein klarer Nachmittag,
fast schon Frühling,
ein lauer und sehr später Nachmittag im April
beinah mit dem Duft des Mai;
und ich bin allein, im stillen Hof,
und fahnde nach dem Bild einer alten kindlichen Sehnsucht …,
Ja, du froher und klarer Nachmittag, ich erinnere mich
an dich fast wie an einen Frühling,
Nachmittag ohne Blüten, als du mir brachtest
den guten Geruch von Minze
und Königskraut,
das meine Mutter im Topf zog.
Daß du mich sahst, wie ich meine sauberen Hände
in das heitere Wasser tauchte,
um die Zauberfrüchte zu befreien
die heute am Grunde des Brunnens träumen…
Ja, ich kenne dich, froher und klarer Nachmittag,
fast schon ein Frühling.
IV. Viele Wege gewandert
Wie sein Bruder Manuel Machado bildete für Antonio seine Heimat, Kastilien und Spanien, den poetischen Raum. Antonio Machado war vielleicht in einem bestimmten, poetischen Sinn ein Weltbürger, er kannte die französische, englische, russische Literatur seiner Zeit, aber vor allem fühlte er sich als Spanier. Und zwar als Bürger des nicht nur von ihm so genannten „anderen Spaniens“:
Man muss vielleicht wissen, dass spätestens seit dem 19. Jahrhundert – und bis heute – viele Spanier ihr Land als tief gespalten ansehen. Grob gesagt ist da das alte, abergläubische, klerikale, autoritäre, hochmütige, misstrauische, grausame Spanien einerseits. Und andererseits ist da das (aus der Sicht seiner Anhänger) fröhliche, melancholische, volkstümliche, musikalische, anarchische und demokratische Spanien. Die drei Brüder Machado gehörten diesem anderen Spanien an, bis auch sie sich spalteten: Manuel Machado lief 1936 zur Falange des Generlissimus Franco über, während Pepe und Antonio als Republikaner Anfang 1939 mit ihrer Mutter ins französische Exil gingen, wo Antonio am 22. Februar 1939 – wenige Tage vor seiner Mutter) starb, während Pepe nach 1940 nach Chile auswanderte.
Übrigens blieben alle drei Machado-Brüder bis zum Schluss katholisch. Wie sehr Antonio Machado sein Volk, gerade die Bauern und Flamncotänzer liebte, kann man aus dem nun folgenden Gedicht ablesen.
He andado muchos caminos
he abierto muchas veredas …
He andado muchos caminos …
He andado muchos caminos,
he abierto muchas veredas;
he navegado en cien mares,
y atracado en cien riberas.
En todas partes he visto
caravanas de tristeza,
soberbios y melancólicos
borrachos de sombra negra,
y pedantones al paño
que miran, callan, y piensan
que saben, porque no beben
el vino de las tabernas.
Mala gente que camina
y va apestando la tierra …
Y en todas partes he visto
gentes que danzan o juegan,
cuando pueden, y laboran
sus cuatro palmos de tierra.
Nunca, si llegan a un sitio,
preguntan a dónde llegan.
Cuando caminan, cabalgan
a lomos de mula vieja,
y no conocen la prisa
ni aun en los días de fiesta.
Donde hay vino, beben vino;
donde no hay vino, agua fresca.
Son buenas gentes que viven,
laboran, pasan y sueñan,
y en un día como tantos,
descansan bajo la tierra.
Viele Wege bin ich gewandert,
viele Pfade hab ich gefunden;
auf hundert Meeren bin ich gesegelt,
an hundert Küsten bin ich gelandet.
Überall sah ich
Karawanen der Trauer,
Hochmütige und Schwermütige,
die Trunkenen vom schwarzen Schatten.
Und ich sah vermummte Pedanten,
die umherspähen, schweigen und denken,
sie kennen die Welt, weil sie den Wein
der Tavernen nicht trinken.
Ein übles Volk, das wandert
und die Erde verpestet …
Und überall sah ich
Leute, die tanzen und spielen,
wenn sie können, und bearbeiten
die Handbreit Erde, die ihnen gehört.
Niemals, wenn sie an einen Ort kommen,
fragen sie, wohin sind wir gekommen.
Wenn sie fortziehen, reiten sie
auf dem Rücken eines alten Esels.
Sie kennen keine Eile,
schon gar nicht an Feiertagen.
Wo es Wein gibt, trinken sie Wein;
wo nicht, frisches Wasser.
Es sind gute Leute, sie leben,
arbeiten, ziehen fort und träumen,
und an einem Tag, der wie viele andere ist,
gehen sie sich ausruhen unter der Erde.
V. Ostern und Auferstehung – Liebe
Antonio Machado führte mit seinen Brüdern anfangs ein sorgloses Leben, ohne viel Geld, aber mit unendlich vielen Diskussionen über die spanische Seele und über Gedichte. Mit etwa 30 Jahren entschloss er sich dann doch noch zu einem ordentlichen Broterwerb. Er studierte Französisch und Philosophie, reiste nach Paris, lernte die französische Literatur und den Philosophen Bergson näher kennen. Nach seiner Rückkehr versuchte er wieder, als freier Autor zu leben, was aber nicht zum Broterwerb reichte. Deshalb nahm er eine Lehrerstelle in dem verträumetn Landstädtchen Soria an und verliebte sich in ein 15-jähriges Mädchen, Leonor Izquierdo, das er bald heiratete. In dieser Zeit schrieb er das Gedicht Ostern und Auferstehung:
Pascua de resurreccion
Mirad: el arco de la vida traza
el iris sobre el campo que verdea.
Buscad vuestros amores, doncellitas,
donde brota la fuente de la piedra.
En donde el agua ríe y sueña y pasa,
allí el romance del amor se cuenta.
¿No han de mirar un día, en vuestros brazos,
atónitos, el sol de primavera,
ojos que vienen a la luz cerrados,
y que al partirse de la vida ciegan?
¿No beberán un día en vuestros senos
los que mañana labrarán la tierra?
¡Oh, celebrad este domingo claro,
madrecitas en flor, vuestras entrañas nuevas!.
Gozad esta sonrisa de vuestra ruda madre.
Ya sus hermosos nidos habitan las cigüeñas,
y escriben en las torres sus blancos garabatos.
Como esmeraldas lucen los musgos de las peñas.
Entre los robles muerden
los negros toros la menuda hierba,
y el pastor que apacienta los merinos
su pardo sayo en la montaña deja.
Ostern. Auferstehung.
Seht: Der Schwung des Lebens malt
Einen Regenbogen über das grünende Feld.
Sucht Eure Geliebten, Mädchen,
sucht sie dort, wo die Quelle aus dem Stein springt.
Wo das Wasser lacht und träumt und plätschert,
da wird der Liebesroman erzählt.
Sollen denn nicht eines Tages in euren Armen
erstaunte Augen die Frühlingssonne sehen?
Augen, die geschlossen sind, wenn sie ins Licht kommen
und die erblindet das Leben verlassen werden?
Werden nicht eines Tages an Euren Brüsten trinken
die morgen den Boden bestellen?
Oh feiert diesen hellen Sonntag,
ihr blühenden kleinen Mütter, feiert eure Herzen!
Eine Sommernacht
Mit seiner jungen Frau ging Antonio auf Hochzeitsreise nach Paris. Auf dem Weg dorthin begann sie furchtbar zu husten, man ging in Paris zu den berühmtesten Ärzten und hatte bald die Gewissheit, dass die kleine Leonor an Tuberkulose erkrankt war. Das Ehepaar reiste zurück nach Soria, wo Leonor am 1. August 1912, in einer lauen Sommernacht starb. Für das Verständnis des Gedichts, das Antonio Machado über die Todesnacht schrieb, ist es nicht schlecht zu wissen, dass der Tod auf Spanisch weiblich ist.
Una noche de verano
Una noche de verano
—estaba abierto el bacón
y la puerta de mi casa—
la muerte en mi casa entró.
Se fue acercando a su lecho
—ni siquiera me miró—,
con unos dedos muy finos,
algo muy tenue rompió.
Silenciosa y sin mirarme,
la muerte otra vez pasó
delante de mí. ¿Qué has hecho?
La muerte no respondió.
Mi niña quedó tranquila,
dolido mi corazón.
¡Ay, lo que la muerte ha roto
era un hilo entre los dos!
Es war eine Sommernacht
Es war eine Sommernacht
– die Balkontür stand offen
und auch die Haustür –
da kam der Tod in mein Haus.
Er näherte sich ihrem Bett –
mich hat er nicht einmal angesehen –
mit seinen feinen Fingern.
Und da zerbrach etwas sehr Zartes.
Still und ohne mich anzusehn
ging der Tod wieder
an mir vorbei. Was hast Du getan?
Der Tod antwortete nicht.
Mein Mädchen war jetzt still,
mein Herz verzweifelt.
Ach, was der Tod zerrissen hat,
war ein Faden zwischen den beiden.
VII. Señor, ya estamos solos mi corazón y el mar.
Machado schrieb eine Reihe sehr trauriger Gedichte über den Verlust seiner Frau, eines davon ist ein Gebet.
Señor, ya me arrancaste lo que yo más quería.
Oye otra vez, Dios mío, mi corazón clamar.
Tu voluntad se hizo, Señor, contra la mía.
Señor, ya estamos solos mi corazón y el mar.
Herr, du hast mir entrissen das was ich am meisten begehrt.
Höre, mein Gott, aufs Neue mein Herz zu Dir schreien.
Dein Wille geschah, Herr, gegen den meinen.
Herr, nun sind wir allein, mein Herz und das Meer.
VIII. Baeza – Wege
Bald nach dem Tod seiner Frau verließ Antonio Machado die Stadt Soria und ließ sich in einem anderen, ebenfalls ländlichen Städtchen nieder, in Baeza, wo dies Gedicht entstand:
Caminos
De la ciudad moruna
tras las murallas viejas,
yo contemplo la tarde silenciosa,
a solas con mi sombra y con mi pena.
El rio va corriendo,
entre sombrías huertas
y grises olivares,
por los alegres campos de Baeza.
Tienen las vides pámpanos dorados
sobre las rojas cepas.
Guadalquivir, como un alfanje roto
y disperso, reluce y espejea.
Lejos, los montes duermen
envueltos en la niebla,
niebla de otono, maternal: descansan
las rudas moles de su ser de piedra
en esta tibia tarde de noviembre,
tarde piadosa, cárdena y viloeta.
El viento ha sacudido
los mustios olmos de la carretera,
levantando en rosados torbellinos
el polvo de la tierra.
La luna está subiendo
amoratada, jadeante y llena.
Los caminitos blancos
se cruzan y se alejan,
buscando los dispersos caseríos
del valle y de la sierra.
Caminos de los campos …
!Ay, ya no puedo caminar con ella!
Wege
Aus der maurischen Stadt
hinter dem alten Gemäuer
betrachte ich den stillen Nachmittag
allein mit meinem Schatten und meinem Schmerz.
Der Strom fließt gemächlich
zwischen schattigen Obstgärten
und grauen Olivenhainen
in den heiteren Feldern von Baeza.
Die Reben tragen goldene Ranken
um die roten Strünke.
Der Guadalquivir, wie ein krummer alter vergessener Säbel,
leuchtet und spiegelt.
Ferne schlafen die Berge
eingerollt in Nebel,
Herbstnebel, mütterlich: die rohe Masse
ruht aus von ihrem felsigen Sein
an diesem behaglichen Novembernachmittag,
frommer Nachmittag, distelblau und violett.
Der Wind hat gerüttelt
an den mürrischen Ulmen der Straßen
erhebend zu rosenfarbenen Wirbeln
den Staub der Erde.
Der Mond steigt auf
schmerzlichblau, keuchend und voll.
Die weißen Pfade
kreuzen und entfernen sich,
auf der Suche nach den vergessenen Gehöften
des Tals und Gebirgs.
Wege und Felder …
Ach! Und ich kann nicht mehr wandern mit ihr!
IX. Baeza – Im Haus des Apothekers – Ländliche Betrachtungen
In Baeza wohnte Machado zur Untermiete bei einem Apotheker, der sich abends, wenn Antonio zwischen Büchern saß und schrieb und rauchte und trauerte, mit Bauern und Bürgern aus der Stadt traf, um die Ereignisse des Tages, sei es der Regen, sei es die Politik, beim Rotwein besprach. Darüber schrieb Machado sein längstes Gedicht, das zwischen Ironie, Heiterkeit und Trauer schwankt, mit dem Titel »Gedicht eines Tages – Ländliche Meditationen«.
Poema de un dia – Meditaciones rurales
He aquí ya, profesor
de lenguas vivas (ayer
maestro de gay-saber,
aprendiz de ruiseñor),
en un pueblo húmedo y frío,
destartalado y sombrío,
entre andaluz y manchego.
Invierno. Cerca del fuego.
Fuera llueve un agua fina,
que ora se trueca en neblina,
ora se torna aguanieve.
Fantástico labrador,
pienso en los campos. ¡Señor,
qué bien haces! Llueve, llueve
tu agua constante y menuda
sobre alcaceles y habares,
tu agua muda,
en viñedos y olivares.
Te bendecirán conmigo
los sembradores del trigo;
los que viven de coger
la aceituna;
los que esperan la fortuna
de comer;
los que hogaño,
como antaño,
tienen toda su moneda
en la rueda,
traidora rueda del año.
¡Llueve, llueve; tu neblina
que se torne en aguanieve,
y otra vez en agua fina!
¡Llueve, Señor, llueve, llueve!
En mi estancia, iluminada
por esta luz invernal,
—la tarde gris tamizada
por la lluvia y el cristal—,
sueño y medito.
Clarea
el reloj arrinconado,
y su tic-tac, olvidado
por repetido, golpea.
Tic-tic, tic-tic … Ya te he oído.
Tic-tic, tic-tic … Siempre igual
monótono y aburrido.
Tic-tic, tic-tic, el latido
de un corazón de metal.
En estos pueblos, ¿se escucha
el latir del tiempo? No.
En estos pueblos se lucha
sin tregua con el reloj,
con esa monotonía
que mide un tiempo vacío.
Pero ¿tu hora es la mía?
¿Tu tiempo, reloj, el mío?
(Tic-tic, tic-tic …) Era un día
(Tic-tic, tic-tic) que pasó,
y lo que yo más quería
la muerte se lo llevó.
Lejos suena un clamoreo
de campanas …
Arrecia el repiqueteo
de la lluvia en las ventanas.
Fantástico labrador,
vuelvo a mis campos. ¡Señor,
cuánto te bendecirán
los sembradores del pan!
Señor, ¿no es tu lluvia ley,
en los campos que ara el buey,
y en los palacios del rey?
¡Oh, agua buena, deja vida
en tu huida!
¡Oh, tú, que vas gota a gota,
fuente a fuente y río a río,
como este tiempo de hastío
corriendo a la mar remota,
con cuanto quiere nacer,
cuanto espera
florecer
al sol de la primavera,
sé piadosa,
que mañana
serás espiga temprana,
prado verde, carne rosa,
y más: razón y locura
y amargura
de querer y no poder
creer, creer y creer!
Anochece;
el hilo de la bombilla
se enrojece,
luego brilla,
resplandece,
poco más que una cerilla.
Dios sabe dónde andarán
mis gafas … entre librotes,
revistas y papelotes,
¿quién las encuentra? … Aquí están.
Libros nuevos. Abro uno
de Unamuno.
¡Oh, el dilecto,
predilecto
de esta España que se agita,
porque nace o resucita!
Siempre te ha sido, ¡oh Rector
de Salamanca!, leal
este humilde profesor
de un instituto rural.
Ésa tu filosofía
que llamas diletantesca,
voltaria y funambulesca,
gran Don Miguel, es la mía.
Agua del buen manantial,
siempre viva,
fugitiva;
poesía, cosa cordial.
¿Constructora?
—No hay cimiento
ni en el alma ni el viento—.
Bogadora,
marinera,
hacia la mar sin ribera.
Enrique Bergson: Los datos
inmediatos
de la conciencia, ¿Esto es
otro embeleco francés?
Este Bergson es un tuno;
¿verdad, maestro Unamuno?
Bergson no da como aquel
Immamuel
él volatín Inmortal;
este endiablado judío
ha hallado el libre albedrío
dentro de su mechinal.
No está mal:
cada sabio, su problema
y cada loco, su tema.
Algo importa
que en la vida mala y corta
que llevamos
libres o siervos seamos;
mas, si vamos
a la mar,
lo mismo nos han de dar.
¡Oh, estos pueblos! Reflexiones,
lecturas y acotaciones
pronto dan en lo que son:
bostezos de Salomón.
¿Todo es
soledad de soledades,
vanidad de vanidades,
que dijo el Eclesiastés?
Mi paraguas, mi sombrero,
mi gabán … El aguacero
amaina … Vámonos, pues.
Es de noche. Se platica
al fondo de una botica.
—
Yo no sé,
Don José,
cómo son los liberales
tan perros, tan inmorales.
— ¡Oh, tranquilícese usté!
Pasados los carnavales;
vendrán los conservadores,
buenos administradores,
de su casa.
Todo llega y todo pasa.
Nada eterno:
ni gobierno
que perdure,
ni mal que cien años dure.
—Tras estos tiempos, vendrán
otros tiempos y otros y otros,
y lo mismo que nosotros
otros se jorobarán.
Así es la vida Don Juan.
—Es verdad, así es la vida.
—La cebada está crecida.
—Con estas lluvias …
Y van
las habas que es un primor.
—Cierto; para marzo, en flor.
Pero la escarcha, los hielos …
— Y además, los olivares
están pidiendo a los cielos
agua a torrentes.
— A mares.
¡Las fatigas, los sudores
que pasan los labradores!
En otro tiempo …
Llovía
también cuando Dios quería.
—Hasta mañana, señores.
Tic-tic, tic-tic … Ya pasó
un día como otro día,
dice la monotonía
del reló.
Sobre mi mesa Los datos
de la conciencia, inmediatos.
No está mal
este yo fundamental,
contingente y libre, a ratos,
creativo, original;
este yo que vive y siente
dentro la carne mortal,
¡ay!, por saltar impaciente
las bardas de su corral.
Baeza, 1918
Das Gedicht eines Tages – Ländliche Betrachtungen
Hier sitze ich nun, Lehrer für
neue Sprachen, Meister des
lockeren Tons bis gestern,
Lehrling der Nachtigallen,
in diesem feuchten und kalten Nest,
verkommen und düster
zwischen Andalusien und der Mancha.
Winter. Nahe beim Feuer.
Draußen regnets, Nieselregen,
der sich manchmal in Nebel verwandelt,
manchmal in wässrigen Schnee.
Ich stelle mir vor ein Bauer zu sein,
der an die Felder denkt. Oh Herr,
würde ich sagen,
das machst Du sehr gut! Regne, regne
regne Dein Wasser wieder und wieder
über Gersten und Bohnen,
Dein stummes Wasser über den Wein
und den Olivenhain.
Es werden Dich preisen mit mir
alle, die Gerste säen fürs Bier.
die leben um zu pflücken,
Oliven zu pflücken,
die das Glück erwarten
vom essen.
Die in diesem Jahr
wie in jedem Jahr
all ihr Geld
werfen ins Glücksrad der Welt,
in das trügerische Rad der Zeit.
Regne, regne, möge Dein Nebel
sich verwandeln in wässrigen Schnee
und dann wieder in Nieseleregen,
Regne, Herr, regne, regne!
In meinem Zimmer erleuchtet
vom Winterlicht – ich
– der späte Nachmittag grau, gedämpft
vom Regen und vom Fensterglas –
hier träum ich und überlege und denke nach.
Da meldet sich
aus der Ecke die Standuhr,
Tic-Tac sagt sie, ich hatte sie schon vergessen,
Du wiederholst Dich, sage ich, sie tut ihren Schlag,
Tic-Tac, Tic-Tac, ja ich hab Dich gehört.
Tic-Tac, Tic-Tac, immer dasselbe,
eintönig, stur wie ein Ochse.
Tic-Tac, so klopft
ihr metallenes Herz.
Ob man in so einem Nest das metallene
Klopfen der Zeit hört? Nein,
in diesen Dörfern kämpft man nur
pausenlos gegen die Uhr,
gegen die Eintönigkeit,
mit der sie ermisst die Leere der Zeit.
Aber ist Deine Stunde auch meine?
Ist Deine Zeit, Uhr, die meine?
(Tic-Tac, Tic-Tac) … es gab einen Tag
(Tic-Tac, Tic-Tac) der verging,
und was ich am meisten liebte,
das raffte der Tod dahin.
Von fernher klingen
Glockenschläge …
Stärker trommelt
der Regen gegen die Fenster.
Ich bin wieder Bauer, zurück auf den Feldern. Oh Herr,
Preis und Lob
denen, die säen das Brot!
Oh Herr! Ist nicht Dein Regen Gesetz
in den Ochsenfurchen des Feldes
so gut wie in den Palästen des Königs?
Oh gutes Wasser, schenke uns Leben
auf Deiner Flucht!
Der Du kommst Tropfen für Tropfen,
Quelle um Quelle und Fluss um Fluss,
wie diese Zeit voll Überdruss,
oh Wasser, das zum fernen Meer fließen muss,
zu allem das werden will,
zu allem das blühen will,
zu der Sonne im April
lass Dich gnädig herab,
denn morgen wirst Du eine frühe Ähre sein,
du wirst die grüne Wiese sein, das rosige Fleisch
und mehr: Verstand und Gekreisch
des Wahnsinns
und Bitternis
der Liebe und der Unfähigkeit
zu glauben, zu glauben, zu glauben!
Es wird Nacht.
Der Faden in der Glühbirne
errötet,
dann strahlt er
und leuchtet
ein bißchen heller als ein Streichholz.
Gott weiß, wohin sich meine Brille
verkrochen hat … zwischen Stapeln von Büchern,
Zeitungen und Papieren,
ja wo denn … da ist sie.
Neue Bücher. Ich öffne eines
von Unamuno.
Der geliebte,
der über alles geliebte
des lebendigen Spaniens, das sich rüstet,
das gerade geboren wird oder aufersteht.
Immer war Dir, Rektor
von Salamanca, treu
der kleine Lehrer
von der Dorfschule.
Diese deine Philosophie
du nennst sie dilettantisch,
seiltänzerisch, sprunghaft,
großer Don Miguel, das ist meine.
Wasser von der guten Quelle,
immer lebendig,
flüchtig,
Poesie, eine Sache des Herzens.
Konstruktivismus?
– Aber es gibt kein Fundament
nicht in der Seele und nicht im Wind –
Rudern ist Glück, hinaussegeln
auf das Meer ins Uferlose.
Henri Bergson: Die unmittelbaren
Daten
des Bewusstseins. Noch
so ein falscher Franzose?
Dieser Bergson ist ein Schlawiner,
wirklich, Meister Unamuno?
Bergson bietet nicht
wie jener Immanuel
den unsterblichen Zaubertrick.
Dieser verteufelte Jude
hat den freien Willen gefunden
in seiner warmen Stube.
Nicht schlecht, Herr Specht,
jeder Gelehrte hat sein Problem
und jeder Verrückte sein eignes System.
Eben!
Es ist nicht egal,
ob wir in unserem einzigen Leben,
der kurzen Qual,
die wir haben,
freie Menschen sind oder Sklaven.
Aber wenn wir sowieso
alle aufs große Meer hinausgehn,
wozu dann der freie Wille?
Oh, diese Dörfer! Reflexionen,
Lektüren und Annotationen,
alles hat doch denselben Ton:
Das große Gähnen von Salomon.
Alles ist
Einsamkeit der Einsamkeit,
Wahn des Wahns,
wie der Ekklesiast sagt?
Mein Hut, mein Stock, mein Regenschirm
oh Mann – zeig endlich Hirn,
der Schauer hat bald ausgerauscht,
wir müssen raus aus diesem Haus.
Schon beinah Nacht. Und in der Apotheke
wird laut gemurmelt und geredet.
– Mein lieber Don Jose,
was ich nicht versteh,
Liberale müssen sein, das ist das eine,
doch warum sind sie solche Hundeschweine?
– Ach, machen Sie sich keine Sorgen,
der Karneval geht nur bis übermorgen,
dann kommen die Rechten und sorgen mit Macht
für Ruhe und Ordnung, mein Freund, dass es kracht
und klingelt in ihren Kassen.
Das kommt und das geht,
Nichts ist für immer,
Rechte und Liberale,
die Zeit frisst sie alle.
Ene, mene, Mäusespeck
In hundert Jahr ist alles weg.
– Nach diesen Zeiten, da kommen andere
Zeiten und wieder andere und noch andere,
und das schöne ist, in jenen fernen Tagen
muss sich keiner von uns mehr plagen.
So ist das Leben, Don Juan.
– Stimmt genau, dann sind andere dran.
– Die Gerste kommt dies Jahr ganz gut voran.
– Kein Wunder bei diesem Regen,
auch für die Bohnen ist es ein Segen!
– Stimmt, sie blühen schon, und wir haben erst März,
es liegt noch Frost in der Luft, da kann noch was kommen!
– Habt ihr die Oliven gesehen?
Sie strecken die Äste zum Himmel und flehen
um Regen in Strömen!
– In Meeren!
– Sie müssen triefen, die Oliven!
Schweiß und Arbeit, Müh und Not
sind des Bauern bittres Brot!
Früher, früher war alles anders als heute …
– Früher gab es auch schon Regen,
denn es ist doch Gottes Segen.
– Dann bis morgen, gute Leute!
Tic-Tac, Tic-Tac … schon
wieder ist ein Tag
vorbei, sagt im stur
monotonen Ton
meine Uhr.
Auf meinem Tisch Die Daten
des Bewusstseins
Gar nicht so übel geraten,
dieses fundamentale Ich,
ein Zufall und frei, ab und an ein Stich
ins Schöpferische und Echte,
dieses Ich das denkt und lebt im Haus
des sterblichen Fleisches.
ach wie es gerne springen würde
über Zaun und Hürde!
Baeza 1918
X. Guiomar
In Baeza hielt es Antonio Machado bis 1919 aus. Man muss sagen, dass er eigentlich ein Großstadtmensch war, der gerne in Cafés und Kneipen saß, vorzugsweise mit seinen Brüdern, und literarische Pläne schmiedete. Von 1919 bis 1931 arbeitete Machado unter der Woche als Lehrer in Segovia und verbrachte soviel Zeit wie möglich in dem eine Zugstunde entfernten Madrid. Zusammen mit seinem Bruder Manuel schrieb er Theaterstücke, die recht erfolgreich waren. In dieser Zeit unterhielt Antonio eine geheime Liebesbeziehung zu einer Frau aus der besseren Gesellschaft, Guiomar genannt.
Todo amor es fantasia
Todo amor es fantasia;
él inventa el año el dia,
la hora y su melodia;
inventa el amante y, mas,
la amada. No prueba nada,
contra el amor, que la amada
no haya existido jamas.
Alle Liebe ist Fantasie.
Alle Liebe ist Fantasie.
Sie erfindet das Jahr und den Tag,
die Stunde, die Melodie
und den Liebenden und sie,
die Geliebte. Und nie
gibt es gegen die Liebe ein Argument –
und wär’ die Geliebte auch inexistent.
XI. Der politische Machado
Die politische Macht wechselte Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre mehrfach zwischen dem konservativen und dem »anderen« Spanien. Mehr und mehr wurde daraus ein handfester Machtkampf; Gewalt lag in der Luft. 1931 schloss sich Antonio der republikanischen Seite an und übernahm auch politische Aufgaben. Als Francisco Franco 1936 mit Unterstützung Hitlers den offenen Bürgerkrieg gegen die gewählte republikanische Regierung begann, wurde der Dichter Federico Garcia Lorca rasch Opfer des poltischen Terrors der Falangisten. Antonio Machado schrieb über den Mord an Garcia Lorca:
El crimen fue en Granada
Se le vio, caminando entre fusiles,
por una calle larga,
salir al campo frío,
aún con estrellas de la madrugada.
Mataron a Federico
cuando la luz asomaba.
El pelotón de verdugos
no osó mirarle la cara.
Todos cerraron los ojos;
rezaron: ¡ni Dios te salva!
Muerto cayó Federico
—sangre en la frente y plomo en las entrañas—
… Que fue en Granada el crimen
sabed —¡pobre Granada!—, en su Granada.
Das Verbrechen geschah in Granada
Man sah ihn zwischen Gewehren gehen,
durch eine lange Gasse,
hinaus aufs kühle Feld,
noch leuchtete der Morgenstern.
Sie töteten Federico
im Morgenrot.
Der Schwarm der Verbrecher wagte nicht
ihm ins Gesicht zu sehen.
Sie schlossen die Augen
und beteten: Dass Gott Dich verlasse!
Tot fiel Federico
– Blut auf der Stirn und Blei in den Eingeweiden –
… dass es in Granada geschah, das Verbrechen,
wisset! – armes Granada – sein Granada.
Als die Faschisten begannen, Madrid einzunehmen, floh Machado mit seiner alten Mutter und dem Bruder Pepe. Mit dem zunehmend erbärmlich ausgestatteten Tross der republikanischen Regierung ging es erst nach Valencia, dann nach Barcelona und schließlich nach Frankreich, über die Grenze bei Port Bou und Cerbére nach Collioure, wenige Kiloemeter hinter der spanisch-französischen Grenze. In dieser Zeit schrieb Antonio Machado weiter Gedichte.
Meditacion del dia
Frente a la palma de fuego
que deja el sol que se va,
en la tarde silenciosa
y en este jardin de paz,
mientras Valencia florida
se bebe el Guadalaviar
– Valencia de finas torres,
en el lirico cielo de Ausias March, *
trocando su rio en rosas
antes que llegue a la mar ! –
pienso en la guerra. La guerra
viene como un huracan
por los paramos del alto Duero,
por las llanuras de pan llevar,
desde la fertil Extremadura
a estos jardines de limonar,
desde los grises cielos astures
a las marismas de luz y sal.
Pienso en Espana, vendida toda
de rio a rio, de monte a monte, de mar a mar.
Meditation
Gegenüber der Hand aus Feuer,
hinterlassen von der untergehenden Sonne
an diesem schweigsamen Abend
und in diesem Garten des Friedens,
während das blühende Valencia
seinen Fluss trinkt
– Valencia der schlanken Türme
im poetischen Himmel des Ausias March,
das seinen Fluss in Rosen verwandelt
auf dem Weg ins Meer –
denk ich an den Krieg. Der Krieg
kommt wie ein Sturm
aus dem wüsten Land des oberen Duero,
aus den Kornkammern der Ebenen,
aus der fruchtbaren Extremadura
in diese Zitronengärten,
aus den grauen asturischen Himmeln,
in die Marschen von Licht und Salz,
ich denke an Spanien,
verkauft, ganz verkauft
von Fluss zu Fluss,
von Gebirg zu Gebirg,
von Meer zu Meer.
Es entstehen in dieser Zeit auch polemische Texte, mit denen Machado in den Bürgerkrieg eingreifen will. »Alerta« heißt eines dieser Kampfgedichte, gerichtet an die spanische Jugend. Darin heißt es:
En las encrucijadas del camino
crueles enemigos nos acechan:
dentro de casa la traición se esconde,
fuera de casa la codicia espera.
Vendida fue la puerta de los mares,
y las ondas del viento entre las sierras,
y el suelo que se labra,
y la arena del campo en que se juega,
y la roca en que yace el hierro duro;
sólo la tierra en que se muere es nuestra.
Alerta al sol que nace,
y al rojo parto de la madre vieja.
Con el arco tendido hacia el mañana
hay que velar. ¡Alerta, alerta, alerta!
An den Wegkreuzen
lauern uns grausame Feinde auf
im Haus versteckt sich der Verrat.
Draußen wartet die Gier.
Verkauft ist das Tor zu den Meeren,
und die Wellen des Windes in den Ebenen,
und der Boden den wir bestellt haben,
und der Sand des Feldes, auf dem wir gespielt haben,
und der Stein, in dem das harte Eisen liegt.
Nur die Erde, in die wir sterben, gehört uns.
Hütet euch vor der aufgehenden Sonne!
Hütet euch vor der Glutgeburt der alten Mutter!
Mit gespanntem Bogen wachsam
in den Morgen. Gebt Acht! Gebt Acht! Gebt Acht!
XII. Diese blauen Tage und das Meer der Kindheit.
Bei allem Engagement für die linke Seite im Bürgerkrieg ist Machado nie Kommunist geworden. Er blieb katholisch. Über sein Verhältnis zum Marxismus zitierte er gern diesen Satz: Mit den Kommunisten bis in den Tod – aber keinen Schritt weiter!
In Collioure lebte Machado mit seinem Bruder und seiner Mutter in einem kleinen Hotel. Pepe und Antonio gingen niemals gemeinsam zum Essen in den Speisesaal. Sie hatten zusammen nur ein Oberhemd. Solange er konnte, machte Antonio Spaziergänge zum Strand, wo er gerne in einem der dort liegenden Fischerboote saß und das Meer und die Häuser betrachtete und von einer guten Zukunft träumte, entweder in Frankreich oder in Russland, das er für ein Reich christlicher Brüderlichkeit hielt. Es waren nur wenige Wochen, die er noch zu leben hatte. Eine einzige Gedichtzeile brachte er in dieser Zeit zu Papier:
Estos dias azules y el mar de la infancia.
Diese blauen Tage und das Meer der Kindheit.
Am 22. Februar 1939 starb Antonio Machado. Er ist auf dem Friedhof von Collioure begraben. Viele spanische Jugendgruppen reisen dorthin. Das Grabmal ist auch heute jederzeit besät mit Blumen und Briefen und Steinen.
XIII. Gebet
Der nicaraguanische Dichter Rubén Darío (1867–1916) war eine Zeitlang mit Antonio Machado befreundet. Er schrieb das folgende Gedicht:
Oracion por Antonio Machado
Misterioso y silencioso
iba una y otra vez.
Su mirada era tan profunda
que apenas se podía ver.
Cuando hablaba tenia un dejo
de timidez y de altivez.
Y la luz de sus pensiamentos
casi siempre se veía arder.
Era luminoso y profundo
como era hombre de buena fe.
Fuera pastor de mil leones
y de corderos a la vez.
Conduciría tempestades
o traería un panal de miel.
Las maravillas de la vida
y del amor y del placer,
cantaba en versos profundos
cuyo secreto era de él.
Montado en un raro Pegaso,
un día al imposible fue.
Ruego por Antonio a mis dioses,
ellos le salven siempre. Amén.
Gebet für Antonio Machado
Geheimnisvoll und schweigsam
ging er jedesmal.
Sein Blick war so tief
daß man ihn kaum sah.
Wenn er gesprochen hatte, war ein Nachklang
von Schüchternheit und Hochmut.
Und das Licht seiner Gedanken
sah man fast immer brennen.
Er war lichtvoll und tief
und ein wohlmeinender Mann.
Er war ein Hirte von tausend Löwen
und Lämmern zugleich.
Er brachte Unwetter mit
oder eine Honigwabe.
Die Wunder des Lebens,
der Liebe und der Lust
sang er in tiefen Versen,
deren Geheimnis er selbst war.
Er stieg auf einen seltenen Pegasus
und eines Tags war er in der Nähe des Unmöglichen.
Bittgebet für Antonio zu meinen Göttern,
sie sollen ihn retten für immer. Amen.