Christian Friedrich Hunold und die Pest (01.04.20)
Corona heißt passenderweise die ebenso ungekrönte wie boshafte Königin der Seuchen, die uns seit Wochen regiert. Neben vielen anderen Unarten hat sie die Eigenschaft, offenkundig keine Anhängerin des Antisdiskriminierungsgedankens zu sein. Dass sie mehr Männer als Frauen angreift, soll hier nicht das Thema sein. Aber Corona tötet mit Vorliebe ältere Menschen und lässt die jungen am liebsten leben. Welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, ist umstritten. Viele sagen: Man muss die Älteren besser schützen. Manche schlagen strikte Quarantäne für alle Alten vor, notfalls auch gegen deren Willen. Wäre das eine im Gewande der Humanität daherkommende Schutzhaft? Es soll alte Leute geben, die das so sehen und die weniger Angst vor dem Tod haben als vor einer Existenz in skypender Einsamkeit. Auch ich gehöre mit meinen 70 Jahren dazu. »Das Leben ist der Güter höchstes nicht!« lässt Schiller den Chor in der Braut von Messina sagen.
Der am 29. September 1680 in Wandersleben bei Gotha geborene und am 16. August 1721 in Halle/Saale gestorbene Dichter Christian Friedrich Hunold hat in einem freilich makabren Gedicht eine ganz andere und wirklich schreckliche Möglichkeit aufgerufen: Dass nämlich der Himmel an den älteren Pestopfern wenig Freude haben könnte, weil unter ihnen zu viele sind, die in ihrem langen Leben Schuld auf sich geladen haben, weshalb die Pest anbietet, es genau umgekehrt zu machen und die Jugend dahinzuraffen.
Uber das häufige Absterben der Kinder
Der Himmel rief den Tod/ und sprach: will niemand sterben?
Daß keine Seelen mehr zu mir/ wie sonsten gehn?
Zu Millionen laß ich durch die Pest verderben/
Erwiederte der Todt; kan auch wohl mehr geschehn?
Allein der Himmel sprach: ich will auch welche haben.
Es koste/ was es will; so war des Todes Sinn:
Kriegst du die Alten nicht/ so will ich die begraben/
Die noch unschuldig sind. Drauf starb die Jugend hin.