Einige Sätze über Giordano Bruno (1548–1600) und eines seiner Gedicht (15.9.19)
In diesen Tagen kam ich in Kontakt mit dem Wirkungskreis der Giordano-Bruno-Stiftung. Deren humanitäres Engagement ist mir sehr sympathisch; den atheistischen Ansatz teile ich nicht. Auf der Webseite der Stiftung fand ich u. a. folgenden Satz über Giordano Bruno: »Brunos Methodik entsprach nicht der Herangehensweise der heutigen Naturwissenschaft und einige seiner mystischen Konzepte lassen sich im Lichte moderner Erkenntnisse kaum noch nachvollziehen.« Dieser Satz erinnerte mich an einige Bemerkungen über Giordano Bruno, die ich vor einer Reihe von Jahren schrieb, als ich einen Vortrag über berühmte Prozesse gegen Schriftsteller vorbereitete. Wie ich beim Wiederlesen feststelle, war es (und ist es auch heute noch) gerade das von der Bruno-Stiftung als unzeitgemäß angesehene „mystische Konzept“, das mich an Giordano Bruno fasziniert. Ich glaube sogar, dass eben diese fromme und poetische Inbrunst – kurz gesagt: sein Glaube – das war, was die damalige Kirchenleitung in ihrem gottvergessenen Zynismus an Giordano Bruno so sehr fürchtete und hasste, das aber andererseits ihm die Kraft zum Widerstand bis in den Tod gab. Hier also der kurze Text aus dem Jahre 2014:
»Giordano Bruno wurde im Jahre 1548 in der Nähe von Neapel geboren. Er war ein unruhiger Geist und die Vertreter der deutschen Katheder-Philosophie des 19. Jahrhunderts von Hegel bis Windelband haben, wenn sie seinen Namen erwähnten, es nie versäumt, auf das Unstete, Unsystematische und in ihren Augen überflüssig Poetisierende seines Denkens hinzuweisen. Bruno wurde im Alter von 28 Jahren, kurz nach seiner Priesterweihe, wegen Ketzerei angeklagt, weil er Zweifel an der Wandlung von Brot in das Fleisch Jesu Christi geäußert hatte. Der Verurteilung kam er durch eine wilde und anderthalb Jahrzehnte dauernde Flucht zuvor. Anfangs führte sie ihn nach Genf, wo er sich innerhalb weniger Monate mit den Calvinisten überwarf, die, genau wie die römische Kirche, für Andersgläubige immer einen Platz auf dem Scheiterhaufen bereithielten. Aber Bruno war intelligent und achtsam, ein gewaltig mitreißender Redner und hatte reiche Gönner, so dass er wieder rechtzeitig fliehen konnte. Paris, London, Oxford, Mainz, Marburg, Wittenberg, Helmstedt, Prag, Frankfurt, Zürich waren Stationen – und endlich Venedig, wo er verraten, ins Gefängnis gesperrt und schließlich an den Vatikan ausgeliefert wurde. Nach einem siebenjährigen, ränkevollen Prozess erging am 20. Januar des Jahres 1600, ziemlich genau 2 Jahrtausende nach dem Urteil gegen Sokrates, folgende Entscheidung:
›Hierdurch verkünden wir das Urteil und erklären, dass der … genannte Giordano Bruno ein unbußfertiger und hartnäckiger Ketzer ist und deshalb … alle kirchlichen Tadel und Strafen auf sich geladen hat … Wir verfügen, … dass Du dem weltlichen Gericht ausgeliefert wirst, … obwohl wir inbrünstig beten, dass … der Römische Statthalter … die Strenge des Gesetzes … mildern möge, damit Du nicht getötet wirst oder Deine Glieder verstümmelt …‹
Der römische Statthalter erkannte den wahren Sinn des dem Urteilsspruch angefügten verteufelt heuchlerischen Gebets um Milde und ließ Giordano Bruno am 17. Februar 1600 zum Campofiore schaffen, ihm die Zunge verstümmeln und ihn anschließend verbrennen.
Das Schicksal, in Flammen aufzugehen, blieb auch den in den Händen des Vatikans befindlichen Exemplaren der Bücher des Giordano Bruno nicht erspart. Was war seine Hauptsünde? Nun, diese Sünde war nicht klein. In seinen Schriften propagierte er mit Geschick und Beharrlichkeit die Idee, dass Gott und die Welt, Materie und Geist, Leib und Seele eines seien. Er war, wie es die damaligen Philosophen nannten, Monist. Dass die Kirche das nicht dulden konnte, kam für Bruno nicht überraschend. In seinem Hauptwerk Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen schreibt er, ›es würden die Angriffe der Undankbaren … ebenso mannigfach sein, wie die Thiere es sind, welche die gütige Erde in ihrem mütterlich umfassenden Schoße erzeugt.‹
Dem genannten Werk hat Giordano Bruno einige Gedichte vorangestellt, eines davon ist in lateinischen Distichen gehalten und die Schlusszeile klingt, wenn man Giordano Brunos Sterbe-Schicksal betrachtet, beinahe prophetisch und gibt ihm zugleich einen tragischen Sinn:
Al proprio Spirito
Mons, licet innixum tellus radicibus altis
Te capiat, tendi vertice in astra vales.
Mens, cognata vocat summo de culmine rerum,
Discrimen quo sis manibus atque Iovi.
Ne perdas hic iura tui fundoque recumbens
Impetitus tingas nigri Acherontis aquas.
At mage sublimeis tentet natura recessus,
Nam, tangente Deo, fervidus ignis eris.
an den eignen geist
fest steht der berg und ruhig in den tiefen der erde gegründet
aber sein gipfel ragt hoch in die sterne hinauf.
beiden bist du verwandt mein geist dem gott wie der unteren
welt und von beiden getrennt – also ruf ich dir zu
wahre dein recht auf die höhen des alls und sinke nicht in die
dunklen tiefen hinab erdschwer finster und dumpf.
auf zur sonne! such deine heimat im freien himmel.
wenn ein gott dich berührt wirst du flammende glut!«
(Übersetzung von mir)