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Essays und Vorträge

Im Namen der Robe
– das Bild des Richters in Oper und Literatur *

Für Wilfried Schröder (3. September 1944 – 17. Juli 2005)


Christoph Schmitz-Scholemann

 

Vorbemerkung 1: Wer ist Richter?

Im folgenden Text wird viel von Richtern die Rede sein. Im Vordergrund stehen bestimmte nach der Wirklichkeit gezeichnete oder auch ganz frei erfundene Personen: Richterbilder. Im Hintergrund, oder im Untergrund, sind aber noch andere, allgemeinere Gedanken in Bewegung: Wenn es das Kennzeichen von Richtern ist, Urteile zu fällen, dann ist das richtig, was Albert Camus sagte: Jeder ist Richter. Wir alle urteilen unablässig – moralisch, ästhetisch, praktisch –, sonst könnten wir nicht leben.  [1] Und jeder ist von den Urteilen seiner Mitmenschen abhängig. Der Gebrauch der Urteilskraft ist eng mit dem Gebrauch der Sprache verbunden und deshalb – weit über die Richterliteratur hinaus – ein literarisches Thema par excellence. Er geht auch weit über die Anwendung von Formen, Formeln und Gesetzen hinaus: Des Gesetzes Ende ist ein gerechter Mensch. [2] Aber gibt es den? Die Gefährdungen und Abirrungen der Urteilskraft in moralischen Dingen machen, wie Hannah Arendt [3] in ihrem Buch Eichmann in Jerusalem schrieb, das Urteilen nicht entbehrlich. Sie machen es gefährlich, menschlrchterich und – interessant.

Vorbemerkung 2: Alles begann in Eisenach

Eines der ältesten und zugleich originellsten Gedichte in deutscher Sprache ist das Atzelied des Walter von der Vogelweide. Es handelt, auch, von einem ungerechten Richter.

Walter von der Vogelweide: Das Atzelied [4]

Mir hat her Gerhart Atze
ein pfert erschozzen zIsenache;
daz klage ich dem den er bestât:
derst unser beider voget.
Ez was wol drier marke wert,
nu hoerent frömde sache:
sit daz es an ein gelten gat,
wa mit er mich nu zoget.
Er seit von grozer swaere,
wie daz min pferit maere
dem rosse sippe waere
daz im den finger abe
gebizzen hat ze schanden:
ich swer mit beiden handen,
daz si sich niht erkanden,
ist ieman der mir stabe?

Der Fall ist schnell erzählt: Der Dichter Walter von der Vogelweide hält sich in Thüringen auf. [5] In Eisenach wird sein Pferd erschossen, und zwar von einem gewissen Gerhart Atze, einem Hofbeamten. Walter verklagt ihn auf Schadensersatz. Er verlangt drei Mark für seine gute Mähre. Als die Gerichtsverhandlung beginnt, staunt Walter nicht schlecht. Denn zu Gericht sitzt der Landgraf – wahrscheinlich Herrmann von Thüringen –, der zugleich der Vorgesetzte des Gerhard Atze ist. Die Befürchtung, es werde unter diesen Umständen nicht zu einem neutralen Urteil kommen, bewahrheitet sich auf beinahe surreale Weise:

Gerhard Atze verteidigt sich gegen die evident gerechte Schadensersatzforderung des Dichters mit einem, wie wir hoffen wollen,  auch nach damaligem Recht lachhaften Argument: Das getötete Pferd sei verwandt gewesen mit einem anderen Pferd, und dieses andere Pferd habe ihm, Atze, irgendwann einmal den Finger abgebissen. Nun werden in Prozessen nicht selten unsinnige Einwände gegen berechtigte Forderungen vorgebracht. Das Besondere hier ist, dass der Richter sich, in geheuchelter Neutralität, auf diesen Unsinn einlässt und von Walter verlangt, ihn zu widerlegen. Der soll, entgegen dem alten Rechtsgrundsatz impossibilium nulla obligatio, nun eine negative Tatsache beweisen, nämlich dass sein totes Pferd nicht verwandt ist mit jenem anderen Pferd, von dem er nichts weiter weiß außer, dass von ihm behauptet wird, es habe Atze den Finger abgebissen.

Soweit bekannt ist das Atzelied, das man eigentlich eine dadaistische Opernminiatur nennen muss, der erste Beitrag in deutscher Sprache zum Thema Recht, Musik und Literatur. Es zeigt den Dichter als den geborenen Justiz-Verspotter und zugleich als das geborene Justizopfer.

Die Vorstellung ist also nicht nur landläufig, sondern auch alt: Aus der Sicht des Poeten ist der Richter hauptsächlich an der Schädlichkeit seines Wirkens [6] zu erkennen. Er sorgt dafür, dass die Ungerechtigkeit durch ein dem Schein nach rationales, in Wahrheit aber bis zur Boshaftigkeit absurdes Verfahren kaschiert werden kann. Er ist eine hassenswerte und verteufelt  [7] lächerliche Figur. Unsere Sympathie gehört deshalb selbstverständlich dem Dichter.

Diese Grundkonstellation finden wir in vielen literarischen Darstellungen von Richtern. Oft erscheinen sie als fleischgewordene Unerbittlichkeit, oder besser als zu Papier gewordene ehemalige Menschen. Wo andere ein Herz haben, findet sich ein Zettelkasten, und ihr Gesicht ist  zusammengesetzt aus allem, was man auf keinen Fall küssen möchte, [8] aus kalten Kröten und Fischschwänzen zum Beispiel, wie auf dem Porträt Der Jurist, das der italienische Maler Giuseppe Archimboldo im 16. Jahrhundert malte. [9]

Aus der Literatur lassen sich viele zu diesem Bild des Richters passende Beschreibungen anführen. Klassisch ist die von Edgar Allan Poe in der 1843 erschienenen Kurzgeschichte The Pit and the Pendulum: [10]

»Ich sah die Lippen der schwarzgekleideten Richter. Sie erschienen mir weiß – weißer als das Blatt, auf das ich diese Worte schreibe – und dünn bis zur Groteske; dünn und grausam fest geschlossen, dünn in unbeweglicher Härte, in strenger Verachtung aller Menschenleiden. Ich sah, dass Aussprüche, die mein Schicksal bedeuteten, noch immer über diese Lippen kamen, sah wie sie sich im Sprechen des Todesurteils verzerrten. Ich sah sie die Silben meines Namens bilden, und ich schauderte, weil kein Laut zu hören war.« [11]

Man wird mir die Bemerkung gestatten, dass mich diese Sicht der Dichter auf den angesehenen Berufsstand, dem ich seit mehr als einem Vierteljahrhundert angehöre, schmerzt. Sie muss ja auch nicht stimmen. Schon einer der ersten Autoren des Abendlands, den man als Dichterjuristen bezeichnen kann, Solon von Athen, schrieb: Polla pseudontai aioidai – Vieles lügen die Dichter. [12]

Vielleicht hat ja Walter von der Vogelweide, der ein ziemlich lockerer Zeisig gewesen sein soll, die Geschichte nur erfunden, um dem Landgrafen und seinem Beamten eins auszuwischen. [13] Ich bitte Sie jedenfalls um Nachsicht dafür, dass ich Ihnen im Dienst meines Berufsstandes auch einige positive Richtergestalten aus der Weltliteratur  [14] vorstellen werde. [15]

Vorbemerkung 3: Die gute Ordnung

»Das Richterbild in Oper und Literatur« heißt mein Thema. Es geht um literarische und musikalische Bilder. Auch, wenn diese Bilder manchmal über ihren Rahmen hinausweisen – es ist mir um Anschauung und in diesem Sinne auch um Wissenschaft (vgl. § 51 UrhG), aber nicht um ästhetische oder juristische Theorien oder Abstraktionen zu tun. Ich habe mich folglich bemüht, meinen Vortrag von allen Hintergedanken freizuhalten, und auch an Gedanken gibt es von meiner Seite im Folgenden nur das Nötigste. In Anlehnung an Mark Twain zu reden:

Personen, die versuchen, eine tiefere Moral in den folgenden
Erzählungen zu finden, werden gerichtlich verfolgt. [16]

Um allerdings ein wenig Ordnung in das Material zu bringen und um den Kunstgenuss zu erleichtern, habe ich den Stoff in Kapitel gegliedert. Sieben davon sind unterschiedlichen richterlichen Phänotypen [17] gewidmet, das letzte zeigt die Antwort der Oper auf eine ewig drängende Frage: Wie wird man eigentlich Richter?

Kapitel I: Der Richter als Mythos

»Venturus est cum gloria, iudicare vivos et mortuos – er wird kommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebendigen und die Toten«,  heißt es im Großen Glaubensbekenntnis. [18] Die Vorstellung, das Richteramt sei Teil der göttlichen Macht [19] oder der natürlichen Ordnung, [20] ist uralt, [21] kulturübergreifend  [22]

und bis heute lebendig,  [23] wenn auch manchmal eher als satirisch gemeinte Kennzeichnung der Selbsteinschätzung von Richtern. [24] So befasste sich vor einigen Monaten Jürgen Fliege in seiner Nachmittagssendung mit den von ihm so genannten »Halbgöttern in Schwarz«. Wie eng in der irrationalen Bilderwelt des Unterbewussten das Richterbild mit religiösen Gefühlen [25] verbunden ist, ist in Stanley Kubricks letztem Film Eyes wide shut  [26] zu sehen, dessen literarisches Vorstück Arthur Schnitzlers Traumnovelle  [27] ist. Die bei Schnitzler in roten Roben auftretenden Femerichter  [28]

ersetzte Kubrick umstandslos durch einen ebenfalls in roter Robe amtierenden Priester.

Im Götterhimmel der heidnischen Antike kam die Gerechtigkeit  [29] erst nach einer ganzen Serie von mörderischen Verbrechen zum Zug: [30] Der Urgott Uranos wird von seinem Sohn Kronos durch Kastration getötet. Kronos frisst seine Söhne, außer Zeus, der seinen Vater zum Dank in die Unterwelt befördert, anschließend sofort seine Tante Themis vergewaltigt, die dann allerdings ihrerseits die Horen  [31] zur Welt bringt, Göttinnen der guten Ordnung. Interessanterweise, so Carl Philipp Moritz in einem Brief an Goethe, sind die Horen

zugleich die Jahreszeiten, welche gleichsam mit gerechter Teilung ihrer Wohlthaten, durch ihren immerwährenden Wechsel, das schöne Gleichgewicht in der Natur erhalten … ihr Geschäft ist, die Türen des Himmels zu öffnen und zu schließen … auch spannen die Horen jeden Morgen die Rosse an den Sonnenwagen.

Der Mythos wusste also bereits, dass das Recht ein steter Balance-Akt ist, eine dem Auf und Ab der Natur abgeschaute Bewegung des Lebens gegen den Tod. Ebenso wusste der Mythos, dass Zeit und Recht ein Gemeinsames haben, insofern sie nämlich beide einerseits Setzungen sind, denen aber andererseits etwas in der physikalischen Welt entspricht, das sehr schwer zu definieren ist.  [32] Anscheinend hat es einen tiefen Grund, dass in den Gerichtssälen Uhren hängen und dass, wahrscheinlich eingedenk der ungeduldigen Rosse vor dem Sonnenwagen, so viele Richter Frühaufsteher sind.

Am besten vertraut ist uns natürlich die jüdisch-christliche Version von der Göttlichkeit der Richtergewalt, wie wir sie z. B. aus Psalm 97 kennen:

Wolken und Dunkel ist um ihn her. Gerechtigkeit und Gericht ist seines Stuhls Festung.

Feuer geht vor ihm her und zündet an um ihn her seine Feinde.

Seine Blitze leuchten auf den Erdboden. Das Erdreich siehet und erschrickt.

Berge zerschmelzen wie Wachs vor dem Herrn, vor dem Herrscher des ganzen Erdbodens. Die Himmel verkündigen seine Gerechtigkeit.

Die Komponisten und Librettisten stellen diesen Zug des Richters ins Religiöse häufig durch eine pompöse Melodik und Instrumentierung dar. Gern läutet als akustisches Signal eine Glocke, wie sie der Katholik aus der Liturgie vor der Wandlung kennt. Ein schönes Beispiel ist die festliche Eröffnung des Gerichtstages in der Oper Martha von Friedrich von Flotow. [33] Der Richter, ausgestattet mit einem dröhnenden Bass, schafft im Volk Raum für das Recht:

VOLK
Der Markt beginnt, die Glocke schallt!
Der Richter naht mit Amtsgewalt.
Herbei! Ihr Mägde jung und alt! Herbei.

RICHTER
Raum und Platz der Obrigkeit!
Leute, macht euch nicht so breit.

VOLK
Raum und Platz der Obrigkeit!

RICHTER
Hört, was das Gesetz euch spricht! Höret! Aber stört mich nicht!

VOLK
Höret! Aber störet ihn nicht!

RICHTER
liest
»Anna! Wir von Gottes Gnaden« –
Hut ab, Schlingels, so wie ich!
Höflichkeit kann nimmer schaden.
»Wir erkennen feierlich
Richmonds Privilegia, sigillata regia …«

Sehr oft ertönen auch drei Schläge mit dem Holzhammer, wie zu Beginn des Reggae-Klassikers Here comes the judge.  [34] Die Schläge sind das Respekt fordernde akustische Zeichen dafür, dass der Richter erscheint, oder, wenn er schon da ist, etwas Wichtiges zu verkünden hat. Ruhe im Saal! Man muss es mindestens dreimal sagen, was der deutsche Staatsrechtler Walter Leisner [35] noch im Jahre 2003 am Ende seiner mehrhundertseitigen und tiefernsten Abhandlung Das letzte Wort forderte: »Der Richter braucht Ruhe!« [36] Aber zurück zu Peter Tosh und dem Reggae-Song Here comes the judge, dem übrigens ein Musical zugrunde liegt. Darin geht es um eine fiktive Gerichtsverhandlung, in der  große Kolonisatoren wie Columbus und Vasco da Gama vor dem, wie sich zeigen wird, ziemlich ungnädigen Gericht der Kolonisierten erscheinen müssen.

Here comes the judge
Here he im
O yeah, o yeah, god save the African king
anyone want anything to say before
come say it now and say it like you glad
not like you mad
cause this judge has no mercy

Christopher Columbus?
yes sire
Francis Drake?
yes me lord
your honour
present
Alexander so called the great?
I am here, I am here
David Livingston?
Yes sir
Marco Pole?

that the evidence I shall give shall be the whole truth
and nothing but the truth
so help me god

Chorus:
silence in the court, the court’s in session
silence in the court, the court’s in session
silence in the court, the court’s in session
silence in the court, the court’s in session
silence in the court, the court’s in session
silence in the court, the court’s in session

You are brought here

One
robbing and raping Africa
Two
stealing black people out of Africa
Three
brainwashing black people
Four
holding black people in captivity
Five
killing over 50 million black people without a cause

Chorus:
silence in the court, the court’s in session
silence in the court, the court’s in session
silence in the court, the court’s in session

… has anything to say before this execution
say it quick, say it glad
the judge is getting impatient
no mercy

each of you must be hang by the tongue

»Silence in court!« sind auch die Worte, mit denen in der Oper Trial by Jury von Gilbert & Sullivan [37] der Einzug des Richters beginnt. Die Musik zu diesem am Ende des 19. Jahrhunderts geschriebenen Einakter klingt gewiss nicht zufällig so nach Gloria in excelsis und Hallelujah, als wäre sie einem Händel-Oratorium entnommen. Der 1836 geborene Librettist, William Schwenck Gilbert, kannte die Gerichte aus eigenem Erleben. Er war lange Zeit Rechtsanwalt in London. Er starb als Sir William Gilbert im Alter von 74 Jahren bei dem Versuch, eine junge Frau aus der Themse zu retten.

Man wird die ironische Absicht der gottesdienstlichen Klänge und Worte, an denen in Trial by Jury kein Mangel ist, noch leichter ermessen können, wenn man weiß, dass es in der auf den Einzug des Richters folgenden Verhandlung um eine ziemlich alltägliche Scheidungssache geht. Ich komme darauf im Nachwort zurück.

RECIT–USHER (on Bench) [38]
Silence in Court, and all attention lend.
Behold your Judge!  In due submission bend!

Enter Judge on Bench

CHORUS
All hail, great Judge!
To your bright rays
We never grudge
Ecstatic praise.
All hail!

May each decree
As statute rank
And never be
Reversed in banc.
All hail!

Die Übergabe der Rechtsgewalt an den Menschen geschieht im europäischen Rechtskreis durch Kontaktaufnahme Gottes mit auserwählten Menschen. Moses werden die zehn Gebote anvertraut. Im Psalm 72 heißt es:

Gott gib dein Gericht dem Könige und deine Gerechtigkeit des Königs Sohn. / Dass er dein Volk bringe zur Gerechtigkeit und deine Elenden rette./ Lass die Berge den Frieden bringen unter das Volk und deine Hügel die Gerechtigkeit.

Salomon ist also nur mit Gottes Gnade ein Urbild des Richters geworden. »We are nothing without divine inspiration!« sagte der amtierende Honourable Justice B.A. Adejuno, Präsident des National Industrial Court von Nigeria. So bescheiden sind nicht alle Richter, wie die folgende Passage der Arie des van Bett aus Lortzings Zar und Zimmermann  [39] zeigt. Es kann Vergnügen bereiten, sich einen selbst- und sendungsbewussten Richter eigener Wahl vorzustellen, wie er sich morgens im Spiegel betrachtet:

O ich bin klug und weise,
Und mich betrügt man nicht.
Diese ausdrucksvollen Züge,
Dieses Aug’, wie ein Flambeau,
Verkünden meines Geistes Siege,
Ich bin ein zweiter Salomo.
Denn ich weiß zu bombardieren,
Zu rationieren, zu expektorieren,
Zu blamieren, inspizieren,
Echauffieren, räsonieren, malträtieren,
Und zu ieren, zieren, rühren,
Führen, schmieren, ratifizieren.
Mit einem Wort, man sieht mir’s an,
Ich bin ad speciem ein ganzer Mann!

Nun aber zum ersten und wirklichen Salomon, dem Urbild des von Gott erleuchteten gerechten Richters: Wahre Größe braucht auch bei Richtern keinen Pomp und schämt sich ihrer Nachdenklichkeit nicht – das lehrt uns die sehr zarte Melodie, zu der Friedrich Georg Händel den König Salomon (im Oratorium Solomon [40] ) sein berühmtes Urteil verkünden lässt. Auch der Text spiegelt weniger den Triumph des Rechts als vielmehr die Trauer des Richters über die Ungerechtigkeit:

Israel, attend to what your king shall say:
Think not I meant the innocent to slay.
The stern decision was to trace with art,
The secret dictates of the human heart.
She who could bear the fierce decree to hear,
Nor send one sigh, nor shed one pious tear,
Must be a stranger to a mother’s name –
Hence from my sight, nor urge a further claim!
But you, whose fears a parent’s love attest,
Receive, and bind him to your beating breast:
To you, in justice, I the babe restore,
And may you lose him from your arms no more.

Das Göttliche hat auf die Richter abgefärbt, aber leider wirkt es nicht auf alle Richter gleichmäßig, wie uns die apokryphe Historia von der Susanna und Daniel zeigt. Hier wird die übliche Vorstellung, dass Alter mit Gerechtigkeit und Jugend mit erotischem Leichtsinn zusammengeht, auf den Kopf gestellt:

»Es war ein Mann zu Babylon, der hatte ein Weib, die hieß Susanna …, die war sehr schön…Es wurden aber .. zwei Älteste aus dem Volk zu Richtern gesetzt … Die … liefen zu ihr und sprachen: Susanna, siehe der Garten ist zugeschlossen und niemand sieht uns und wir sind entbrannt in Liebe zu Dir, drum tu unsern Willen. Willst du aber nicht, so wollen wir schwören, daß wir einen jungen Mann bei dir gefunden haben … Und Susanna tats nicht was sie verlangten und fing laut an zu schreien, aber die Richter schrien auch … Und das Volk glaubte den zweien als Richtern … und verurteilten Susanna zum Tode … Und da man sie zum Tode führte, erweckte Gott den Geist eines jungen Knaben. Der hieß Daniel … und fing laut an zu rufen … ›Seid ihr … solche Narren, daß ihr eine Tochter Israel verdammt, ehe Ihr die Sache erforscht habt …?‹ Und alles Volk kehrte eilend um … und sprachen zu Daniel: ›Setz dich her zu uns. Gott fordert dich zum Richteramte!‹ Und Daniel sprach: Trennt die beiden Alten, so will ich jeglichen von ihnen gesondert verhören. Und da sie die beiden getrennt hatten, sprach er zu dem ersten: ›Hast du nun Susanna gesehen, wie der junge Mann bei ihr lag, so sage an: Unter welchem Baum hast du sie gefunden?‹ Er antwortet: ›Unter einer Linde.‹ … Dann ließ er den anderen vor sich kommen und sprach zu ihm: ›Nun sage an: Unter welchem Baum hast du Susanna und den jungen Mann gefunden?‹ Er aber antwortet: ›Unter einer Eiche.‹ Da sprach Daniel: ›Oh recht! Mit eurer Lüge bringt Ihr Euch selbst ums Leben.‹ Da fing alles Volk an, laut zu rufen und sie priesen Gott. Und Daniel ward groß vor dem Volk von dem Tage an …«

Kapitel II: Der angsteinflößende Richter

Das zweite Kapitel ist ein Seitenstück zum ersten. Es geht um den Aspekt der Angst. In Anlehnung an Ludwig Feuerbach könnte man sagen, der Mensch habe Gott auch deshalb geschaffen, um seiner namenlosen Existenzangst einen Namen geben und sie im Gebet  besprechen zu können. [41] Der Tag des Gerichts, Gottes dies irae, ist für den Menschen der Tag der Angst.  [42] Wahr ist, dass auch vor dem menschlichen Gericht niemand gern steht, mit Ausnahme der Advokaten vielleicht. Das tiefe Unbehagen ergreift auch den, dem der Verstand sagt, dass eigentlich nichts passieren kann. Und wer doch etwas ausgefressen hat, wie der Räuberhauptmann in den Bremer Stadtmusikanten, dem vernebelt das schlechte Gewissen die Wahrnehmung so arg, dass er den Hahn auf dem Haus für den Richter und das Kikeriki für den Haftbefehl nimmt.  [43]

In den Augen der Dichter scheinen die Richter das Gefühl, Angst und Schrecken zu verbreiten, gelegentlich zu genießen. Die vor zweieinhalbtausend Jahren uraufgeführte Komödie Die Wespen  [44] von Aristophanes bringt gleich einen ganzen »Chor der Richter«. Sie werden als ekelhafte Insekten dargestellt, die einen riesigen, phallusartigen Stachel tragen und einer von ihnen erklärt sich wie folgt über seinen Beruf:

Nun sprich: Bin ich nicht ein gewaltiger Herr,
Gewaltig wie Zeus, der Allmächtige selbst,
Und spricht man von mir nicht grad wie von Zeus?
Denn wenn im Gerichtshof wir lärmen und schrein,
Da bleiben sie stehn, die vorübergehn,
Und sprechen: Allmächtiger Zeus, das Gericht!
Wie es donnert und tobt!‘
Und schleudr‘ ich den Blitz, dann schnattern vor Angst
Und Entsetzen die reichen, hochachtbaren Herrn
Und kacken sich voll.

Das Bild des Richters als eines Angsterzeugers spiegelt Mark Twain in dem Roman Tom Sawyers Abenteuer in der Seele eines Knaben. Tom ist verliebt in ein blondes Mädchen namens Becky Thatcher. Um ihr zu imponieren, kauft er von anderen Schülern Fleißkärtchen aus dem Religionsunterricht zusammen. Vor versammelter Schule soll ihm daraufhin der Preis für besondere Bibel-Kenntnisse verliehen werden. Mit der  Preisverleihung ist ein ehrenwerter Mann mittleren Alters betraut.

»Der mittelalterliche Mann schien ein bedeutender Mann zu sein. Er war der oberste Richter des Kreises – gewiss die erhabenste Persönlichkeit, die diese Kinder je gesehen hatten. Und sie grübelten darüber, aus welchem Stoff der wohl gemacht sein könne. Und dann waren sie begierig auf seine Stimme und dann zitterten sie wieder davor, sie zu hören. Er war aus Constantinopel – zwölf Meilen entfernt – er war also durch die ganze Welt gekommen und hatte alles gesehen … Die scheue Ehrfurcht, welche diese Vorstellungen hervorriefen, war aus dem absoluten Schweigen und den starr auf ihn gerichteten Augen deutlich zu lesen.

Das also war der große Richter Thatcher! Der Bruder ihres Bürgermeisters …

Tom wurde vor den Richter geführt. … seine Zunge klebte am Gaumen, der Schweiß trat ihm auf die Stirn, sein Herz klopfte, teils infolge der Größe des Mannes, teils weil er Becky Thatchers Vater war…

Der Richter legte die Hand auf Toms Kopf und nannte ihn einen tüchtigen kleinen Mann und

›… jetzt kannst du mir … eine große Freude machen…Ohne Zweifel kennst du die Namen aller zwölf Apostel. Willst du mir also die Namen der beiden zuerst von Jesus erwählten Jünger nennen?‹

Tom zupfte an einem Knopf und sah möglichst einfältig aus. Er wurde rot und senkte die Augen.

Sein Lehrer flüsterte ihm zu: ›Antworte dem Herrn, Thomas, fürchte dich nicht.‹

Tom wurde immer röter, bis eine vornehme Dame sagte: »Also wenn Du Angst vor dem Richter hast, mir kannst du es sagen. Die ersten zwei Apostel waren … :‹

›David und Goliath‹ sagte Tom.«

Dass der Richter uns Angst macht, hängt sicher damit zusammen, dass unsere Phantasie ihn mit den Attributen der Macht ausstattet. Hinter dem Richter steht nicht nur die göttliche Gerechtigkeit, sondern auch die  göttliche Unerbittlichkeit und Grausamkeit, kurz gesagt: der Henker, wie wir nicht nur von Friedrich Dürrenmatt  [45] wissen. Ein Urteil muss, um ein wirkliches Urteil zu sein, vollstreckt werden oder doch jedenfalls die Drohung, vollstreckt werden zu können, in sich tragen. [46]Ein französischer Rechtsphilosoph sagte vor einigen Jahren in einer Rede an junge Richter: »Es ist wichtig für Sie zu wissen, dass Sie einen der grausamsten Berufe ausüben, den es gibt. Sie werden erheblichen Schaden anrichten. Das ist unvermeidlich.«  [47] Zugleich weckt der Richter auch unser Schuldbewusstsein. Kaum einer hat ein so reines Gewissen, dass er vor dem Urteil eines als allwissend gedachten Richters, der zugleich auch ein Rächer ist, bestehen könnte. Es gibt Ausnahmen: Reine, engelsgleiche Charaktere. Aber es ist nicht gesagt, dass die menschliche Justiz, die ein System des Misstrauens ist und den Menschen eher auf die Finger als ins Herz schaut  [48] der arglosen Unschuld gerecht wird. Im Gegenteil: Es kann zu Tragödien kommen, wie in Benjamin Brittens Oper Billy Budd, [49] die nach dem 1891 erschienenen gleichnamigen Roman von Hermann Melville  [50] entstand.

Billy Budd ist ein herzensreiner bildschöner junger Matrose, der unter einem Sprachfehler leidet. Dieser Engel wird von seinem Vorgesetzten auf sadistische Weise gequält. Billy Budd kann sich, weil er stottert, nicht mit Worten wehren. Mit einer impulsiven Geste stößt er seinen Vorgesetzten um, der unglücklich stürzt und stirbt. Vere, der Kapitän des Schiffs, der Billy Budd liebt wie Abraham seinen Sohn Isaak liebte, beruft ein Standgericht ein. Die Richter verurteilen Billy Budd zum Tode. Der Kapitän könnte seinen Liebling begnadigen, denn an Bord ist er der oberste Richter. Aber die Schiffsräson siegt.

»Kapitän Vere:
Ich akzeptiere euer Urteil … Auf den Verstoß gegen die Gesetze auf Erden steht die Todesstrafe. Und ich, König auf diesem Brocken Erde, auf dieser schwimmenden Monarchie, fordere den Tod. Aber ich habe das göttliche Urteil des Himmels gesehen. Ich habe gesehen, wie das Unrecht zuschanden wurde. Eingeengt in diese kleine Kajüte, habe ich das Mysterium der Güte erblickt.

Und ich fürchte mich.
Vor welchem Tribunal werde ich erscheinen, wenn ich die Güte vernichte?

Der Engel Gottes hat den Schlag geführt und durch mich muss der Engel aufgehängt werden. Schönheit, Edelmut, Güte, es liegt an mir, dass Ihr vernichtet werdet.

Ich, Edward Fairfax Vere, Kapitän der Indomitable, mit der gesamten Mannschaft verloren auf dem endlosen Meer.

Ich bin der Bote des Todes. Wie kann er mir verzeihen? Wie mich empfangen?«

Während der Kapitän sich mit zerrissenem Herzen auf den Weg macht, um seinem Billy das Urteil zu verkünden, ertönt eine rätselhafte und in der Operngeschichte viel besprochene Folge von 34 Orchesterakkorden, die nach der Uhr gemessen zweieinhalb Minuten, nach dem Gefühl aber ein halbes Leben lang andauert. Sie klingt wie ein Echo der tausendfältigen Trauer, die das Versagen des menschlichen Rechts in den Seelen gerade der Gerechtesten verursacht. [51]

Kapitel III: Der furchtbare Richter

Das Richterbild in der deutschen Nachkriegsliteratur ist von den fanatischen Zügen eines Kasseler Rechtsanwalts geprägt, der mit Anfang zwanzig Bolschewist und mit fünfzig Jahren Präsident des Volksgerichtshofs war: Roland Freisler. [52] Dieses Bild hat in den 60er und 70er Jahren die Vorstellung vor allem des linksintellektuellen Milieus von Staat und Recht so nachhaltig geprägt, dass fast ein Klischee daraus geworden ist, eine Art negativer Kitsch. [53] Und doch existierten jene furchtbaren Richter. [54] Peter Weiss hat in dem Stück Die Ermittlung  [55] die Protokolle des Frankfurter Auschwitz-Prozesses zu einem in mehrere Gesänge eingeteilten Sprech-Oratorium verarbeitet. Im Gesang von der Schwarzen Wand bringt er einen KZ-Richter auf die Bühne, der als Zeuge vernommen wird:

»Richter
Wir rufen als Zeugen auf
den damaligen weisungsgebenden Vorgesetzten
der hier befindlichen Angeklagten

Herr Zeuge
Sie waren Chef der zuständigen Zentrale
der Sicherheitspolizei
und Vorsitzender des Standgerichts
Was hatten Sie als solcher
mit den Hinrichtungen zu tun
die von der Politischen Abteilung
im Lager durchgeführt wurden

Zeuge 1
Meine Dienststelle hatte mit den Handhabungen
der Politischen Abteilung im Lager
nicht das geringste zu tun
Mir standen ausschließlich Fälle
von Partisanen zur Verhandlung
Diese wurden ins Lager überführt
und dort in einem Sitzungsraum abgeurteilt

Richter
Wo befand sich dieser Sitzungsraum

Zeuge 1
In irgendeiner Baracke

Richter
Lag der Sitzungsraum nicht im Block Elf

Zeuge 1
Da bin ich überfordert

Zeuge 6
Ich war Schreiber im Block Elf
Bei dieser Tätigkeit erhielt ich Einblick
in die Arbeit des Standgerichts
Der Sitzungsraum befand sichvorne links
am Korridor des Block Elf

Richter
Wie sah dieser Raum aus

Zeuge 6
Da waren 4 Fenster zum Hof
und da stand ein langer Tisch

Richter
Herr Zeuge
Erinnern Sie sich an diesen Raum

Zeuge 1
Nein

Richter
Sind Sie nie im Inneren Gebiet
des alten Lagers gewesen

Zeuge 1
Da bin ich überfordert

Richter
Sind Sie nie durch das Lagertor gegangen

Zeuge 1
Es ist möglich
Ich erinnere mich daß da
eine Musikkapelle spielte

Richter
Waren Sie nie im Hof von Block Elf

Zeuge 1
Vielleicht einmal
Da soll eine Mauer gewesen sein
Ich habe sie aber nicht mehr in Erinnerung

Richter
Eine schwarzgestrichene Mauer
muß doch auffallen

Zeuge 1
Ich habe keine Erinnerung

Richter
Herr Zeuge
Sie waren also der Vorsitzende
War denn auch ein Verteidiger dabei

Zeuge 1
Wenn einer gewünscht wurde

Richter
Wurde mal einer gewünscht

Zeuge 1
Es kam selten vor

Richter
Und wenn es vorkam

Zeuge 1
Dann wurde einer bestellt

Richter
Wer war der Verteidiger

Zeuge 1
Ein Beamter der Dienststelle

Richter
Fanden verschärfte Vernehmungen statt

Zeuge 1
Dazu bestand keine Veranlassung
Ich habe jedenfalls nichts
von verschärften Vernehmungen gehört
Die Tatbestände waren so klar
daß es keiner verschärften Vernehmung bedurfte

Richter
Was waren die Tatbestände

Zeuge 1
Es waren ausschließlich staatsfeindliche Handlungen

Richter
Gestanden die Verhafteten

Zeuge 1
Da gab es nichts zu leugnen

Richter
Wie kam es zu den Geständnissen

Zeuge 1
Durch Vernehmungen

Richter
Wer führte die Vernehmungen aus

Zeuge 1
Die Politische Abteilung

Richter
Hatten Sie als Richter keine Bedenken
auf welche Art die Geständnisse
herbeigeführt wurden

Zeuge 1
Ich kann nichts dafür
wenn der eine oder andere meiner Leute
seine Befugnisse überschritten hat
Ich habe meinen Männern ständig eingeschärft
daß sie bei allen Verhandlungen
korrekt aufzutreten hatten

Richter
Wurden bei den Vernehmungen Zeugen gehört

Zeuge 1
In der Regel nicht
Wir fragten ob alles stimme
und sie sagten alle Ja

Richter
Sie hatten also nur Todesurteile auszusprechen

Zeuge 1
Ja
Freisprüche gab es praktisch nicht
Verfahren wurden nur eröffnet
wenn alles klar war

Richter
Haben Sie niemals Anzeichen
bei den Beschuldigten erkannt
die auf unzulässige Behandlung
hätten schließen lassen

Zeuge 1
Nein

Richter
Sind auch Frauen und Kinder
vor der Schwarzen Wand
erschossen worden

Zeuge 1
Davon ist mir nichts bekannt

Zeuge 6
Zwischen den Häftlingen
die zur Aburteilung durch das Standgericht
in den Block eingeliefert wurden
befanden sich zahlreiche Frauen und Minderjährige
Die Anklage lautete auf Schmuggel
oder Kontakt mit Partisanengruppen
Im Gegensatz zu den Lagerhäftlingen
die im Keller eingeschlossen waren
hielten sich die Polizeigefangenen
im Erdgeschoss des Blocks auf
Sie wurden einzeln in das Sitzungszimmer geführt
Der Richter verlas das Urteil
er nannte nur den Namen und sagte dann
Sie sind zum Tode Verurteilt
Die meisten Verurteilten
verstanden die Sprache nicht
und wußten gar nicht
warum man sie verhaftet hatte
Vom Gerichtszimmer wurden sie sofort
zum Auskleiden in den Waschraum geführt
und von dort in den Hof gebracht

Ankläger
Herr Zeuge
Wieviel Urteile hatten Sie
als Vorsitzender des Standgerichts
zu verlesen

Zeuge 1
Daran kann ich mich nicht erinnern

Ankläger
Wie oft wurden Sie
zur Urteilssprechung einberufen

Zeuge 1
Das weiß ich nicht mehr

Ankläger
Wie lange dauerte eine Sitzung
des Standgerichts

Zeuge 1
Das kann ich nicht sagen

Ankläger
Herr Zeuge
Sie sind heute Leiter
eines großen kaufmännischen Betriebs
Als solcher müssen Sie gewohnt sein
mit Ziffern und Zeitrechnungen umzugehn
Wieviele Menschen
wurden von ihnen verurteilt

Zeuge 1
Das weiß ich nicht

Zeuge 6
Bei einer Sitzung des Standgerichts
wurden im Durchschnitt
100 bis 150 Todesurteile Verlesen
Die Sitzung dauerte 1 ½ bis 2 Stunden
und fand alle 2 Wochen statt

Ankläger
Herr Zeug
wieviele Menschen wurden ihrer Schätzung nach
insgesamt
vor der Schwarzen Wand erschossen

Zeuge 6
Aus den Totenbüchern und unsern Aufzeichnungen
geht hervor
daß zusammen mit den gewöhnlichen Bunkerleerungen
annähernd 20 000 Menschen
vor der schwarzen Wand erschossen wurden«

Es ist kein Vorrecht Deutschlands, furchtbare Richter hervorzubringen. Es ist auch kein Vorrecht des 20. Jahrhunderts. Schon die spätmittelalterliche Legenda aurea des Jacobus de Voragine [56] ist voller Berichte über grausame Prozesse gegen die frühen Christen [57] [58].

Auch Georg Friedrich Händel, der offenbar einen besonderen Zugang zum Zeremoniösen der Gerichtsverhandlung hatte, hat den Prozess gegen ein Märtyrer-Liebespaar vor dem römischen Richter Valens in seinem späten Oratorium Theodora  [59] dargestellt. Vor einigen Jahren wurde einer meiner sanftesten Kollegen von einem Kläger, der sich ungerecht behandelt fühlte, als »Nazi- und Hexenrichter« bezeichnet. Dass der Mann diese Bezeichnung wählte, zeigt, wie tiefe Spuren bis heute Inquisition und Hexenverfolgung hinterlassen haben. Umberto Eco hat in seinem Roman Der Name der Rose eine Gerichtsverhandlung in einem Kloster des ausgehenden Mittelalters geschildert. Wer die Protokolle von Verhandlungen vor dem Volksgerichtshof studiert, dem springen die Parallelen der auf Entwürdigung des Angeklagten zielenden Vernehmungstechnik des Richters ins Auge. Hier einige Ausschnitte aus Ecos Roman Der Name der Rose: [60]

»Fünfter Tag – Nona – Worin Recht gesprochen wird und man den beklemmenden Eindruck hat, dass alle im Unrecht sind.

Der Richter … tat so, als ob er Papiere ordnete – aber zerstreut, denn sein Blick war dabei auf den Angeklagten gerichtet, und in diesem Blick lag eine Mischung aus geheuchelter Nachsicht …, aus eisiger Ironie … und aus gnadenloser Strenge.

All das, was ihm vorgehalten wurde, wusste der Angeklagte längst, doch der lauernde Blick und das Schweigen des Inquisitors dienten dazu, es ihm erneut ins Gedächtnis zu rufen, ja es ihn geradezu körperlich spüren zu lassen …

Remigius (Angeklagter):
»Meine Seele ist unschuldig …«

Bernard, Richter, brüllt
»Seht ihr? So reden  sie alle! Wenn einer von ihnen gefasst wird, tritt er vor das Gericht, als ob sein Gewissen ruhig und rein wäre … sage mir nun: Woran glaubst du?«

Remigius:
»Ich glaube alles, was Ihr und die anderen guten Doctores mich glauben heißen.«

Bernard
»Aha! Aber die ›guten Doctores‹ … Du deutest an, dass du mir glauben würdest, wenn ich glauben würde, was jene glauben, andernfalls aber glaubst du nur ihnen!«

Remigius:
»Nein, Herr Inquisitor, nein, ich schwöre euch …«

Bernard:
»Du schwörst? Ein neuer Beweis deiner Ruchlosigkeit! … Du elender Fuchs.«

Remigius:
»Aber was kann ich denn tun?«

Bernard:
»… Gar nichts kannst du mehr tun. Ich allein weiß, was jetzt noch getan werden muss … Dir bleibt nur noch zu gestehen. Doch wenn du gestehst, wirst du verdammt und verurteilt werden, und wenn du nicht gestehst, wirst du auch verdammt und verurteilt werden, nämlich wegen Meineides. Also gestehe, um wenigstens dieses Verhör abzukürzen, das unser Gewissen quält und unseren Sinn für Mitleid und Güte verletzt.«

In dem von Kriegen und Hexenverfolgungen gekennzeichneten 17. Jahrhundert, in dem es nach einer amtlichen Zählung mehr Teufel gab als Frankreich Einwohner hatte, spielt die Geschichte der Teufel von Loudun, die von dem Hugenotten Nicolas Aubin [61] erforscht wurde. Aldous Huxley machte daraus einen Roman [62] und Krysztof Penderecky eine Oper. [63] Die Geschichte ist folgende: Der Priester Urbain Grandier, Pfarrer der Kirche Saint-Pierre-du-Marché, war ein schöner und stattlicher Kerl. Die Frauen und Töchter von Loudun schmolzen nach der Beichte auf dem Venusaltar seiner Pfarrkirche, Urbain Grandier schmolz mit und die Bürger kochten vor Wut. Da es ihnen peinlich war, die eigentlichen gravamina auszusprechen, waren sie erleichtert über die irgendwie in der Luft liegende und vom Kardinal Richelieu aus politischen Gründen geförderte Entdeckung, dass Grandier ein Hexer sein müsse. Man verhaftete ihn, durchsuchte sein Haus und fand verschiedene, in Spiegelschrift abgefasste Verträge, welche neben der Unterschrift des Grandier die nach gerichtlichem Befund zweifellos echten handschriftlichen Signaturen der Teufel Asmodi, Beelzebub und Behemot trugen. Als Richter in dem sich über ein Jahr hinziehenden Prozess gegen Grandier fungierte ein Mann namens Laubardemont. In seiner Person kam alles zusammen, was einen Richter im allgemeinen von der Führung eines Prozesses von vornherein ausschließt: Er war den Feinden des Priesters persönlich und verwandtschaftlich verbunden, er war als Sonderrichter von der Staatsführung eingesetzt mit dem einzigen und ausdrücklichen Auftrag, Grandier zu erledigen, und er übte neben dem Richteramt das des Staatsanwalts und neben dem Amt des Staatsanwalts sogar noch das des Zeugenbetreuers aus. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass er in Wirklichkeit nicht Richter, sondern das Haupt einer von der Staatsführung eingesetzten Terrorbande war. Im Prozess hatte Grandier bis zuletzt geleugnet, auch dann noch, als ihm ein Arzt mit einer fingerlangen Nadel hunderte Stiche ins Fleisch gesetzt hatte, angeblich, um die zwei bis fünf gefühllosen Stellen zu finden, durch die ein Teufelsbündner sich nach der gängigen Doktrin auszeichnete, und auch dann noch hatte er geleugnet, als man ihm Arme und Beine mit eisernen Pressen zerquetscht hatte. Nicht einmal die letzte von ihm erflehte Gunst, nämlich erwürgt zu werden, ehe man ihn auf den Scheiterhafen warf, wurde ihm gewährt. So verbrannte er bei lebendigem Leibe. [64]

Kapitel IV: Die gerechten Richter

Die unübersehbar hässlichen Züge des Richterbildes sind damit im Wesentlichen deutlich genug beschrieben. Das Vierte Kapitel ist den gerechten Richtern gewidmet, und das ist auch der Titel eines Altarbildes aus Gent, das von Jan van Eyck stammt. Es wurde in den dreißiger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts gestohlen und ist bis heute nicht wieder aufgetaucht. Eine wichtige Rolle spielt es in dem Roman La chûte (Der Fall), [65] der Albert Camus den Literatur-Nobelpreis eintrug.

Gerechte Richter kommen in Literatur und Oper gar nicht so selten vor. Zwei Typen sind vorherrschend, einer ist der gottähnliche, allwissende, stets beherrschte und weise Mann, dessen Urbild wir mit Salomon  kennen gelernt haben. Die meisten Fernsehrichter sind nach diesem Muster gestrickt. [66] Der zweite Typ ist mehr von der Art des Daniel oder der Mutter aller Richterinnen, der biblischen Deborah. Es ist ein unkonventioneller und dabei volkstümlicher Mensch, der gelegentlich Gesetze bricht und unter Umständen sogar Gewalt anwendet, um Gerechtigkeit herzustellen. Ihn finden wir bei Calderon de la Barca im Richter von Zalamea, [67] einem Dorfrichter, der den adeligen Vergewaltiger seiner Tochter verurteilt und auch gleich aufhängen lässt.  [68] Dem gleichen Typ gehört der Held des 2003 erschienenen Romans Der Richter aus Paris von Ulrich Wickert [69] an, ein französischer Untersuchungsrichter, der sich mit dem Staatspräsidenten anlegt, um eine Korruptionsaffäre aufzudecken. Dabei ist dieser Richter so erfolgreich, dass er sich inzwischen zum Serienhelden auszuwachsen scheint: Im Jahre 2005 erschien Der Richter in Angola [70] Auch der Azdak [71] im Kaukasischen Kreidekreis von Bert Brecht  [72] ist hier zu nennen und Rolf Hochhuths Richterin Heinemann, die in dem Stück Unbefleckte Empfängnis [73] einer Angeklagten, von deren Unschuld sie überzeugt ist, zur Flucht verhilft. Die western-hero-Spielart des unkonventionellen, unkompliziert zupackenden Richters ist, wie wir aus der Comic-Serie Lucky Luke wissen, Judge Roy Bean, den man »The law west of the Pecos« nannte. Sein Wahlspruch war: »Hang’m first – verhandelt wird später!« Über seinem Gerichtsgebäude, das gleichzeitig als Saloon diente, prangte der bemerkenswerte Slogan »Gerechtigkeit und kühles Bier«.  [74]

In der Wirklichkeit finden wir gerechte Richter natürlich viel eher als unauffällige Helden des Alltags, die unter der Last des Amtes leiden, sich krank und unverstanden fühlen und zu Vertagungen und Vergleichsvorschlägen neigen. Um diesen dritten Typ des gerechten Richters, einen still wirkenden Amtsrichter, [75] haben sich Christoph Martin Wieland [76] und Richard Strauss verdient gemacht. Des Esels Schatten  [77]heißt eine kleine Oper, die Richard Strauss am Ende seines Lebens für eine Schule schrieb. Den Stoff für die Oper entnahm Richard Strauss Christoph Martin Wielands Roman Geschichte der Abderiten: Es geht um die Stadtrepublik Abdera, die man getrost als Metapher für alle Republiken, also auch für unsere heutige deutsche nehmen darf.

In der Stadt Abdera trug sich der folgende Rechtshandel zu: Der Zahnarzt Struthion mietete einen Esel, um in die Nachbarstadt zu reiten. Es war ein heißer Mittag, die Sonne stach und dem Zahnarzt ward matt zu Mute. Er befahl dem Eselsführer das Tier anzuhalten, stieg vom Esel und wollte, um sich zu erfrischen, im Schatten des Eselskörpers Platz nehmen. Der Eselsführer aber war damit nicht einverstanden: Er habe den Esel vermietet, nicht aber dessen Schatten. Wenn der Schatten genutzt werden solle, so sei neben der Eselsmiete eine weitere Drachme fällig. Der arme überhitzte Zahnarzt konnte oder wollte nicht zahlen, und so kam es zu einem Prozess, dessen Verlauf, wie alle wichtigen Angelegenheiten in Abdera, auf das lebhafteste öffentliche Interesse stieß. Die Einzelheiten des Rechtshandels samt seiner politischen Knoten und weltanschaulichen Knäuel auszubreiten ist aber hier nicht der Ort. Uns interessiert der Richter, der schließlich alles auseinanderwickeln muss: Philippides war, wie so viele Amtsrichter, »ein ehrbarer, nüchterner, seinem Amte fleißig vorstehender Mann, der jedermann mit großer Geduld anhörte, den Leuten freundlichen Bescheid gab und im allgemeinen Rufe stand, dass er unbestechlich sei«. Überdies war er ein guter Musikus [78][/simple_tooltip ]und sang,  bevor er, wie es der Brauch kluger Richter ist, einen Vergleich vorschlug, eine kleine Kavatine über die Gerechtigkeit:  [79]

Ich möchte am Wiesenrain sitzen,
aus Weiden eine Flöte mir schnitzen,
statt unter Aktenstaub und Paragraphen
zu richten, zu schlichten, zu bestrafen.

Was ist denn Recht?
Darüber lässt sich streiten;
es wechselt Form und Sinn im
Lauf der Zeiten.

Der Philosoph muß vor sich selbst
Bekennen:
Recht ist von Unrecht oft nicht zu trennen.

Der Mensch ist gut, nur hat er Schwächen!
Wer soll da wohl ein Urteil sprechen?
Oh böses Schicksal! Grad mich verdammt es
Zur undankbaren Pflicht des Richteramtes.  [80]

Kapitel V: Der verstrickte Richter.

Wir haben gesehen, wie der göttliche Richter über der Welt schwebt. In der schon erwähnten Legenda aurea des Jacobus de Voragine heißt es sogar, die Schöffen  [81] wohnten der Sitzung des Jüngsten Gerichts schwebend bei, wenn auch hauptsächlich aus Gründen des Platzmangels im engen Tale Josaphat, wo bekanntlich die finale Gerichtsverhandlung abgehalten werden wird. Allerdings ist die Tätigkeit des Schwebens ein untrügliches Zeichen der Heiligkeit. Und folglich ist das Überdendingenschweben selbst im übertragenen Sinne kaum noch gebräuchlich, außer in der idealisierenden Sicht einiger Richter auf sich selbst und im verklärten Blick einiger Theoretiker des Rechtsstaats. Für viele Künstler ist dagegen gerade das Verstricktsein des Richters in das Leben, über das sie zu Gericht sitzen, interessant. Hier sind jene Friktionen zu erwarten, die, wie Schiller sagte, den Götterfunken der Inspiration hervorbringen können.

Exemplarisch ist eine Erzählung von Oskar Jellinek. [82]Dieser 1886 in Brünn geborene und 1949 in Hollywood gestorbene jüdische Schriftsteller war zunächst Richter in Wien und wurde 1925 berühmt mit der Geschichte von einem dürren und hinkenden Dorfrichter, der mit der schönen und sinnlichen Wlasta verheiratet ist und einmal in seinem Leben stark sein will wie ein Bauer. Nun wird ihm der junge hübsche Quirin vorgeführt, Liebling des Dorfes und vor allem der Liebling der Frauen. Es besteht Mordverdacht gegen Quirin. Wird der Richter stark genug sein, dem Recht Geltung zu verschaffen, obwohl die Volksseele auf der Seite des Verdächtigen ist?

Der Richter unterwirft den Quirin einem scharfen Verhör. Quirin bestreitet die Tat, sagt aber nicht, wo er die Tatnacht verbracht hat. Im Verhör hält der Richter ihm ein blutiges Messer vor die Augen.

In Quirins Kehle stieg ein hilfloses Schluchzen … ›Das ist nicht mein Messer, das ist nicht mein Messer‹ stieß er … hervor, auf die blutige Klinge weisend, ›ich schwör’s bei meiner Mutter Seligkeit!‹ – ›Laß deine Mutter, Quirin,‹ sagte der Richter.

Nachdem der Richter noch einige administrative Akten erledigt hatte, ging er nach Hause … Er faltete die Stirn und trat ein. Am geöffneten Fenster stand Wlasta, seine Frau, und sang. ›Du hältst ihn natürlich für unschuldig!‹ sagte der Richter – ›Ich – wen?‹ fragte seine Frau – ›Wen? Na, den Qurin!‹ Wlasta … schluckte geflissentlich und sagte dann: ›Gewiß halt’ ich ihn für unschuldig.‹ … Der Quirin ist kein Mörder – das weiß jeder, der nicht neidisch oder eifersüchtig ist auf ihn.‹ sagte sie …«

Der Richter ist von Qurins Schuld überzeugt. Er gibt ihm eine Nacht Bedenkzeit, um das Geständnis zu unterschreiben.

Quirin Michalek hatte in dieser Nacht gebangt, gehofft und gebetet … Er warf sich hin und her. Denn das, was er gestehen sollte, hatte er nicht begangen, und das, was er begangen hatte, durfte er nicht gestehen.

Am Morgen legt Quirin dann doch das verlangte Mordgeständnis ab.

… Der Richter hatte Quirins Geständnis sofort protokolliert und ihn dann abführen lassen. In diesem Augenblick wurde weit die Tür geöffnet, und Wlasta, seine Frau, rauschte herein. Der Richter erstarrte. ›Was – was unterstehst du dich?‹ ›Ich komme dir sagen, daß der Quirin unschuldig ist. Er war gestern nacht bei mir.‹ … Da sah der Richter seine Macht in den Abgrund versinken … Er war blamiert, entthront, verstoßen … Und in dem siedenden Verlangen, Hohn und Spott von sich abzuwehren, stieß er zu. Wohl hielt seine Frau … das Gebetbuch schützend vor ihre Brust, aber der Stahl traf ihre Kehle, tödlich… Der Richter stand vor der Leiche seines Weibes. Ihm war leicht zumute. Er hatte kraftvoll gehandelt wie ein Bauer.«

Wo es um den verstrickten Richter  [83]geht, müssen wir natürlich auch von Adam, dem Menschen und Dorfrichter sprechen, in dessen Amtsräumen sich Wurstpellen um Schnapsflaschen ringeln. Kleists Zerbrochener Krug wurde von dem 1944 in Auschwitz ermordeten Prager Komponisten Viktor Ullmann auf eine sehr witzige, burlesk-pointierte Art vertont. [84]Als Grundlage für das Libretto benutzte Ullmann Kleists Originaltext, den er aber stark kürzte, um die humane Botschaft zuzuspitzen. Hier sind einige Zeilen aus der Anfangsszene. Adam ist soeben geweckt worden, weil sich überraschend ein Oberrichter zur Überprüfung seiner Amtstätigkeit angesagt hat. Adam ist übel zugerichtet und sein Rechtspfleger Licht wundert sich darüber:

»Licht:
Ei, was zum Henker, sagt, Gevatter Adam?
Was ist mit euch gescheh’n? Wie seht Ihr aus?

Adam:
Ja seht, zum Straucheln braucht’s doch nichts als Füße.
Gestrauchelt bin ich hier, denn jeder trägt den
leid’gen Stein zum Anstoß in sich selbst.

Licht:
Nein, sagt mir, Freund! Den Stein trüg’ jeglicher …?

Adam:
Ja in sich selbst!

Licht:
Verflucht das!

Adam:
Wie beliebt?

Licht:
Ihr stammt von einem lockern Ältervater,
der so beim Anbeginn der Dinge fiel,
und wegen seines Falls berühmt geworden;
Ihr seid doch nicht …?

Adam:
Nun?

Licht:
Gleichfalls?

Adam:
Ob ich? Hier bin ich hingefallen, sag’ ich Euch!

Licht:
Unbildlich hingeschlagen?

Adam:
Ja unbildlich.

Licht:
Wann trug sich die Begebenheit denn zu?

Adam:
Jetzt, in dem Augenblick, da ich dem Bett entsteig’. Ich hatte noch das Morgenlied im Mund, da stolpr’ ich in den Morgen schon, und eh’ ich noch den Lauf des Tags beginne, renkt unser Herrgott mir den Fuß schon aus.«

Adam lügt natürlich. In Wirklichkeit ist er nicht einfach so gestrauchelt, sondern war nachts der jungen Eva nachgestiegen. Die hatte sich gegen Adam gewehrt. Dabei zerbrach ein Krug. Über die Zerstörung dieses Kruges, für die Evas Verlobter verantwortlich gemacht wird, findet nun vor den Augen des Oberrichters ein Prozess statt. Und Adam, dem die Sache furchtbar peinlich ist, sitzt zu Gericht. Nur er und Eva wissen, wie der Krug zerbrach. Adam versucht, die Sache zu vertagen oder zu vergleichen. Aber letztlich verurteilt er einen Unschuldigen, um sich aus der Affäre zu ziehen. Doch dann taucht ein Beweisstück auf, das ihn entlarvt: Am Tatort wird seine Perücke gefunden. Der Richter flieht.

»Seht, wie der Richter Adam … das aufgepflügte Winterfeld durchstampft! … Seht! Seht! Wie die Perücke ihm den Rücken peitscht!«

Übrigens ist die Amtstracht des Richters für viele Schriftsteller das, was die drei Hammerschläge für die Komponisten sind. Als Sancho Pansa, der »Sack voll Sprichwörtern« und bäuerliche Gefährte des Don Quichote gegen Ende des berühmten Romans von Miguel de Cervantes Saavedra [85]zum Richter auf der Insel Barataria ernannt wird, weist der Ritter von der traurigen Gestalt ihn zurecht:

»Du bist gegen mich nur ein Schafskopf, mein lieber Sancho… und einzig weil die fahrende Ritterschaft dich mit ihrem Hauch berührt hat, wirst du ohne weitere Umstände Richter … Bedenke zu allererst, dass die äußere Erscheinung eines zu wichtigen Ämtern erhobenen Menschen mit dem übereinstimmen muss, was das Amt erheischt.«

Also die Kleidung ist wichtig, vor allem Robe [86] und Perücke, manchmal auch der Richterstab: Diese Utensilien stehen symbolisch [87]für das Amtliche, oft in ironisierender Absicht. Um ein Beispiel aus der populären Literatur zu nennen: In Jules Vernes Roman In 80 Tagen um die Welt  [88] müssen sich Phileas Fogg und sein Diener Passepartout vor dem Amtsrichter Obadiah in Kalkutta verantworten. Als Obadiah zu Beginn der Verhandlung bemerkt, dass er versehentlich die Perücke seines Schreibers aufgesetzt hat, sagt er: »Mein lieber Herr Oysterpuff, was glauben Sie wohl, wie ein Richter ein vernünftiges Urteil sprechen soll, wenn er die Perücke eines Schreibers auf dem Kopf hat?« Erst nach dem Perückentausch geht die Verhandlung dann weiter. Und Bert Brecht lässt seinen Richter Azdak im Kaukasischen Kreidekreis [89] sich wie folgt über das Robenproblem erklären:

»Wenn zum Beispiel ein Richter eine Frau verknackt, weil sie für ihr Kind ein Maisbrot gestohlen hat, und er hat seine Robe nicht an oder er kratzt sich beim Urteil so, daß mehr als ein Drittel von ihm entblößt ist, das heißt, er muß sich dann am Oberschenkel kratzen, dann ist das Urteil eine Schande und das Recht ist verletzt. Eher noch könnte eine Richterrobe und ein Richterhut ein Urteil sprechen als ein Mensch ohne das alles. Das Recht ist weg wie nix, wenn nicht aufgepaßt wird …«  [90]

Die Verstrickung in die Wirklichkeit steht offenkundig in einem Spannungsverhältnis zu dem Anspruch, über andere urteilen zu wollen.  [91]

Der Apostel Paulus schreibt an die Römer: »Denn worinnen Du einen anderen richtest, verdammst Du Dich selbst, sintemal Du eben dasselbige tust, das Du richtest.«  [92]

Dieses Spannungsverhältnis finden wir in der Literatur manchmal als Tragik, oft aber als Komik wieder. Einige Beispiele haben wir schon kennen gelernt, auf zwei besonders schöne kann ich nur hinweisen: Den Richter Gänsezaun in Francois Rabelais Gargantua und Pantagrue, [93]der ausführlich erklärt, warum es lege artis ist, den Prozessausgang durch ein im übrigen äußerst kompliziertes Verfahren auszuwürfeln. Und auch Sancho Pansa als Richter der Insel Barataria, der u.a. folgenden Rat von seinem Herrn mit auf den Weg bekommt:

»Glaube mir, Sancho, für alle Geschenke, die die Frau eines Richters annimmt, muss der Mann am Jüngsten Gericht Rechenschaft ablegen und nach seinem Tode alles vierfach bezahlen!«  [94]

Man wird sofort sehen, wie ein Richter sich den Ruf verderben kann, wenn er sich nicht an diesen Ratschlag hält.

Kapitel VI: Der bestochene Richter

Die Opernkenner wissen, dass in der populärsten Mozart-Oper, der Hochzeit des Figaro [95] eine Gerichtsverhandlung stattfindet. Figaro hat von der wesentlich älteren Barberina Geld geliehen. Er kann es nicht zurückzahlen. Nach dem mit Barberina geschlossenen Vertrag ist er nun verpflichtet, sie zu heiraten. Der Graf, der auf Figaros Verlobte Susanna scharf ist, hat seinen Richter Don Curzio – den wohl einzigen  stotternden Juristen der Operngeschichte – gut instruiert.

»D-d-du b-b-bezahlst oder h-h-heiratest! P-p-punktum!« lautet das Urteil, das allerdings, wie so viele Judikate des wirklichen Lebens, von eben diesem wirklichen Leben alsbald kassiert wird: Es stellt sich nämlich heraus, dass Barberina in Wahrheit Figaros Mutter ist.

Wie kommt es, dass sich Mozart und da Ponte so niederträchtige und inkorrekte Späße mit der Justiz erlaubten? Nun: Das Libretto von Figaros Hochzeit beruhte auf einem Theaterstück des französischen Waffenhändlers und Literaten Pierre Augustin de Beaumarchais. Er war im ancien regime aus tausend Gründen in einen Prozess verwickelt und wurde von Ludwig dem 16. mehrfach ins Gefängnis gesteckt. [96] Wie sich herausstellte, hatte sein Richter, ein gewisser Elsässer mit dem Namen Goezmann, [97]der im Nebenamt Lehrbücher schrieb, außer einem Sprachfehler noch eine geldgierige Frau. Sie kassierte Bestechungsgelder von den (beiden!) Prozessparteien. Beaumarchais verlor den Prozess, weil seine Gegner etwas mehr zahlten als er. Mit seinem Theaterstück La folle journee rächte sich Beaumarchais. Er stellte in den Mittelpunkt des Stücks eine Gerichtsverhandlung, gab dem Richter einen kleinkarierten und gehässigen Charakter und einen dem Original recht ähnlichen Namen. Das Stück wurde mehrfach verboten, hatte aber letztlich gewaltigen Erfolg, der sich bis nach Wien herumsprach. Hier ein Auszug aus der Gerichtsverhandlung in Beaumarchais’ Theaterstück. [98][/simple_tooltip ]Es geht, wie in der Oper, um die Klage der Barberina gegen Figaro auf Zahlung oder Erfüllung des Heiratsversprechens:

»Richter:  [99]

Die Form, meine Herren, die Form!

Figaro:
Aber gewiss, mein Herr. Den Parteien geht es zwar um die Sache, aber die Form ist die Sache des Gerichts.

Richter:
Der Kerl ist gar nicht so dumm wie ich dachte. Also mein Freund, wenn Du Dich so gut auskennst, dann heraus mit der Sprache, worum gehts?

Figaro:
Mein Herr, ich habe volles Vertrauen in Ihre Gerechtigkeit, obwohl Sie ja zur Justiz gehören.

Richter:
Jawohl ich bin von der Justiz, allerhand, jaja. Aber wenn Du zahlen mußt und zahlst aber nicht …

Figaro:
Wenn ich tatsächlich nicht zahle, also wenn ich nicht zahlen kann, dann ist es doch fast, wie wenn ich nicht zahlen muss!

Richter:
Zweifellos … Impossibilium nulla obligatio … Eh … wie bitte? Was sag ich da?

Barberina:
Hören Sie mich an, mein Herr!

Richter:
Nun gut, sprechen wir verbaliter!

Barberina:
Das Papier, das Sie in den Händen haben, ist ein Heiratsversprechen, verbunden mit einem Darlehen.

Richter:
Ich verstehe, etcetera, etcetera undsoweiter.

Barberina:
Kein etcetera.

Richter:
Ich verstehe, Sie haben das Geld gekriegt!

Barberina:
Nein, ich hab es verliehen.

Richter:
Ich verstehe, Sie stipulieren! Eine Stipulation! Interessanter Casus!

Barberina:
Nein, Monsieur, er soll mich heiraten.

Richter:
Ich verstehe immer besser, er will Sie heiraten …

Barberina:
Will er eben nicht, deshalb führe ich doch den Prozess!

Richter:
Wollen Sie etwa sagen, ich verstehe den Prozess nicht?

Barberina:
Keineswegs, Monsieur. (zu sich selbst): Wo sind wir eigentlich hier? (zum Richter): Sind Sie hier der Richter?

Richter:
Natürlich! Was glauben Sie wohl, warum ich den Posten gekauft habe!

Barberina:
Es ist ein großes Unrecht, dass solche Posten verkauft werden.

Richter:
Stimmt genau! Man hätte ihn mir umsonst geben sollen. Gegen wen klagen Sie eigentlich?«

Wenn man aus den ins Komische gewendeten Zügen der Richterbilder in der Oper und der Literatur eine einzige Person machen wollte, in der sich sowohl das Schreckliche und Furchterregende, das Menschenfeindliche und das überzogen Selbstbewusste, aber auch die Überforderung durch die Wirklichkeit, der Kampf mit der Amtstracht und letztlich sogar die Verstrickung zeigen, also eigentlich alles, was dem Amt Charakter gibt und was man als den immer wieder scheiternden und immer wieder notwendigen Versuch der Reduktion von Komplexität bezeichnen kann, dann müsste man den kalifornischen Richter Maxwell erfinden. Zum Glück ist er aber bereits erfunden worden, und zwar von dem amerikanischen Regisseur Peter Bogdanovitch. Der Leser ist aufgefordert, unbedingt die berühmte Gerichtsszene aus dem Film Is was Doc? anzusehen. Jede verbale Wiedergabe wäre eine Beleidigung für die Eigenständigkeit der Filmkunst im allgemeinen und im besonderen für das Genie der Drehbuchautoren, des Regisseurs und der Darsteller, [100]vor allem des unvergesslichen Liam Dunn als Judge Maxwell.

Kapitel VII: Ein Bild von einem Richter

»Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten«, heißt es bei Hermann Hesse und den fürs erste letzten Raum mit Richterbildern habe ich Ein Bild von einem Richter« genannt. Ich meine damit zweierlei.

Zum einen: In der großen und tiefen Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts gibt es Bücher, in deren Mittelpunkt der Richter nicht mehr als reale Person des Lebens steht, sondern nur noch als Bild. In dem schon erwähnten Roman Der Fall von Albert Camus  [101] geht es um das Bild Die gerechten Richter von van Eyck. Ein aus dem Gleis geratener, trunksüchtiger Rechtsanwalt bewahrt in einer Amsterdamer Dachkammer dieses Bild vor dem Zugriff der Polizei und der Unterwelt. Damit ist in der metaphorischen Sprache des Dichters gesagt, dass die Vorstellung des gerechten Richters, also letztlich die Sehnsucht des Menschen nach Gerechtigkeit wohl noch existiert, aber eigentlich nur noch ins geheim, als Gerümpel, verwaltet von einem heruntergekommenen Advokaten.  [102] Ähnliches lässt sich über das Richterbild in Franz Kafkas unvollendetem Roman Der Prozess  [103] sagen. Dem eines Morgens von zwei Männern in Mänteln sistierten und alsdann in einen undurchsichtigen Prozess gezogenen Bankangestellten K. gelingt es nie, die für seinen Fall entscheidenden Richter zu sprechen. Einmal findet zwar vor großem Publikum eine Verhandlung beim Untersuchungsrichter statt, der sich aber als ein schlecht unterrichteter und ordinärer Mensch niederen Ranges herausstellt. Auf seinem Richtertisch stehen zwei Bücher. Das eine ist ein pornographisches Werk, das andere trägt den kindischen Titel: »Die Plagen, welche Grete von ihrem Manne Hans zu erleiden hatte«. Von den übrigen Richtern bekommt K. nur Bilder zu sehen, die der Gerichts-Maler Tintorelli, der eigentlich auf Heidelandschaften in Öl spezialisiert ist, in einem Dachverschlag herstellt.

Der Prozess gegen K. ist kein gewöhnlicher Gerichtsprozess. [104] Der Betroffene erfährt nicht, was gegen ihn vorliegt. Er wird ab und an befragt, hin und wieder gefoltert, er erhält Mitteilungen oder Winke oder glaubt, sie zu erhalten, und auf unbestimmte Weise sind alle seine Freunde, Nachbarn, Arbeitskollegen und Familienangehörigen in das Verfahren einbezogen. Das ganze Leben des Prokuristen wird Teil des Gerichtsverfahrens und alle Menschen scheinen irgendwie zum Gericht zu gehören. Natürlich rebelliert der Gerechtigkeitssinn gegen ein so offenkundig ungerechtes Verfahren, von dem noch nicht einmal sicher ist, dass es mit einem Urteil endet. Doch im Laufe des Jahres schwindet die Gewissheit, mit der K. behauptet, unschuldig zu sein. In einer Kirche trifft K. einen Geistlichen, der auf einer Kanzel steht und behauptet, er sei  der Gefängniskaplan. Ich bin unschuldig, sagt K. Das stimmt, entgegnet der Kaplan, aber er fügt hinzu: Das sagen alle.

Schließlich erscheinen wieder die beiden Männer in Mänteln und führen K. an einen einsamen Ort, wo sie ihn mit einem Messer bedrohen. Die letzten Sätze des unvollendet gebliebenen Romans lauten:

»War noch Hilfe? Gab es Einwände, die man vergessen hatte? Gewiss gab es solche. Die Logik ist zwar unerschütterlich, aber einem Menschen, der leben will, widersteht sie nicht. Wo war der Richter, den er nie gesehen hatte? Wo war das hohe Gericht, bis zu dem er nie gekommen war? Er hob die Hände und spreizte alle Finger.

Aber an K.s Gurgel legten sich die Hände des einen Herrn, während der andere das Messer ihm tief ins Herz stieß und zweimal dort drehte. Mit brechenden Augen sah noch K., wie die Herren, nahe vor seinem Gesicht, Wange an Wange aneinandergelehnt, die Entscheidung beobachteten. ›Wie ein Hund!‹ sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben.«  [105]

Ähnlich depressive Befunde, nämlich die Abwesenheit oder den Verlust eines lebendigen Bildes vom Richter als einer menschlichen Instanz, von der Gerechtigkeit oder überhaupt nur irgendeine Entscheidung zu erwarten wäre, ließen sich auch aus Dürrenmatts Justizromanen oder auch aus dem bekannten Lehrbuch für Konkursrecht des inzwischen  pensionierten Naumburger OLG-Richters Rosendorfer herausdestillieren, in dem der Landgerichtsrat Ballmann erst in dem Augenblick glücklich wird, in dem er sozialen Selbstmord begeht und den Dienst quittiert.  [106]

Es gibt aber noch eine weitere, vielleicht nicht ganz so tiefsinnige, dafür aber auch weniger depressive Klasse von Literatur, die für mich unter den Titel »Ein Bild von einem Richter« gehört. Wir finden sie vornehmlich in den USA, ich meine die so genannten court-room-stories, von denen ja auch viele verfilmt worden sind.  [107] Man sollte diese Bücher [108] nicht unterschätzen. Sie sind oft von ehemaligen oder noch praktizierenden Rechtsanwälten geschrieben und verraten eine subtile Milieukenntnis. Meist steht im Mittelpunkt ein mutiger Anwalt, der die Unschuld einer schönen Frau verteidigt. Auch bestechliche, lächerliche, faule Bezirksrichter gehören zur personellen Ausstattung. Aber gelegentlich, manchmal im Hintergrund, manchmal auch am Dreh- und Angelpunkt des Geschehens, tritt ein ganz besonderer Richtertyp auf. Es ist die Sorte des steinalten, kauzigen und unbeirrten Bundesrichters, der, wie z. B. der Richter Crease in William Gaddis’ Roman Letzte Instanz, [110] Brandlöcher im Jackett und Dollar-Bündel in Plastiktüten unter dem Bett hat und reichlich ausgestattet ist mit Mut, juristischem Scharfsinn, klassischer Bildung und galligem Humor. Vor allem aber zeichnen sich diese eigenwilligen Gestalten durch Sprachmacht und Gerechtigkeitsgefühl aus.

Dieser angelsächsische, vor allem US-amerikanische Richtertyp [110] hat ein Vorbild im realen Leben, [111] nämlich den in den USA jedem Kind bekannten Oliver Wendell Holmes jr. [112] Holmes jr. stammte aus dem Kreis um den Philosophen Charles Sanders Peirce, [113] er war ein brillanter Ostküsten-Intellektueller und Richter am Supreme Court. Seine Urteile, Vorträge und Bücher, an denen er lange feilte und deren Entwürfe er stets mit Sorgfalt verbrannte, gelten in den USA als absolut literaturfähig. Er starb 1935  im Alter von 94 Jahren. Kurz vor seinem Tod schrieb Holmes an seine früheren Anwalts-Kollegen:

»Ich kann mich vom Leben und von Euch nicht in förmlichen Worten verabschieden. Das Leben gleicht für mich einem jener japanischen Bilder, denen unsere Vorstellungskraft nicht erlaubt, am Rahmen zu enden. Wir zielen ins Unendliche und wenn der Pfeil zu Boden fällt, steht er in Flammen.«

Ein schönes, dunkles und für einen Vierundneunzigjährigen ziemlich feuriges Bild, das wieder einmal zeigt, dass die Ästhetik der Sprache und die moralische Ordnung der Welt, wie einst bei Solon, zusammengehören. Um es in einem Satz zu sagen: Die Sprache ist der Atem des Rechts und der Glaube an das Recht ist nichts anderes als der Glaube an das Leben.

Das gilt umso mehr, wenn die Liebe sich hineinmischt, wie der erwartungsvolle Leser im

Nachwort

endlich erfahren wird, worin das zu Beginn gegebene Versprechen eingelöst wird, darzulegen, wie man Richter wird, jedenfalls im Vereinigten Königreich. Wer jemals einen englischen Richter kennen gelernt hat, weiß, was ein trotz Kenntnis von der Absurdität der Existenz und dem Bewusstsein eigener Schuld heiterer und zufriedener Mensch [114] ist. Um einen solchen handelt es sich bei dem Richter, den Gilbert & Sullivan in den Mittelpunkt ihrer schon erwähnten Oper Trial by Jury [115] gestellt haben. Er hat, wie weiland Don Curzio, einen Prozess wegen gebrochenen Heiratsversprechens zu führen. Die Klägerin ist jung und hübsch, der Beklagte will sie aber nicht mehr haben. Die juristische Lösung erfahren wir nicht. Denn der Richter löst den Fall praktisch. Er verliebt sich in die Klägerin. [116] Und in der zauberhaften Arie, von der hier nur der Text wiedergegeben werden kann, erfahren wir, warum der Überdruss des Richters an seiner bisherigen Frau eng verbunden ist mit dem Grund, aus dem er überhaupt Richter wurde. Case dismissed! [117]

»Richter:
›When I, good friends, was called to the bar,
I’d an appetite fresh and heartly.
But I was, as many young barristers are,
An impecunious party.

I’d a swallow-tail coat of a beautiful blue –
And a brief which I bought of a booby –
A couple of shirts, and a collar or two,
And a ring that looked like ruby!‹

Chor:
„A couple of shirts, and a collar or two,
And a ring that looked like a ruby.“

Richter:
„In Westminster-Hall I danced a dance,
Like a semi-despondent fury;
For I thought I never should hit on a chance
Of addressing a British Jury –
But I soon got tired of third-class journeys,
And dinners of bread and water;
So I fell in love with a rich attorney’s
Elderly, ugly daughter.“

Chor:
„So he fell in love with a rich attorney‘s
Elderly, ugly daughter.“

Richter:
„The rich attorney, he jumped with joy,
And replied to my fond professions:
‚You shall reap the reward of your pluck, my boy,
At the Bailey and Middlesex sessions.

You’ll soon get used to her looks,‘ said he,
‚And a very nice girl you’ll find her!
She may very well pass for forty-three
In the dusk, with a light behind her!“

Chor:
„She may very well pass for forty-threee
In the dusk, with a light behind her!“

Richter:
„The rich attorney was good at his word;
The briefs came trooping gaily,
And every day my voice was heard
At the Sessions or Ancient Bailey.

All thieves who could my fees afford
Relied  on my orations.
And many a burglar I‘ve restored
to his friends and his relations.“

Chor:
„And many a burglar he’s restored
To his friends and his relations.“

Richter:
„At length I became as rich as the Gurneys –
An incubus then I thought her.
So I threw over that rich attorney’s
Elderly, ugly daughter.

The rich attorney my character high
Tried vainly to disparage –
And now, if you please, I’m ready to try
This Breach of Promise of Marriage!“

Chor:
„And now if you please, he’s ready to try
This Breach of Promise of Marriage!“

Richter:
„For now I’m a judge!“

Chor:
„And a good judge, too!“

Richter:
„Yes now I’m a judge!“

Chor:
„And a good judge, too!“

Richter:
„Though all my law be fudge,
Yet I‘ll never, never budge,
But I’ll live and die a Judge!“

Chor:
„And a good judge, too!“

Richter:
„It was managed by a job – “

Chor:
„And a good job,  too!“

Richter:
„It was managed by a job – “

Chor:
„And a good job,  too!“

Richter:
„It is patent to the mob
That my being made a nob
Was effected by a job.

Chor:
„And a good job,  too!“
Übersetzung [118]

Richter:
„Als ich anfing als Richter beim Amtsgericht,
Da war ich noch frisch und munter.
Doch ich kannte kein Aas und auch Geld hatt ich nicht,
Und so kam ich nicht rauf und nicht runter.

Eine löchrige Robe in Anthrazit
Und Aktenstaub an den Händen,
Einmal im Monat ein Bürstenschnitt,
Ein Schlips und zwei weiße Hemden.“

Chor:
„Einmal im Monat ein Bürstenschnitt,
Ein Schlips und zwei weiße Hemden.“

Richter:
„Ich hängte mein Fähnchen, ich war ja nicht dumm,
In alle politischen Winde.
Ich dachte, im Ministerium
Erkennt man die Jungfrau am Kinde.

So kommts auch. Man ruft mich. Ich sage nicht nein
Und verlieb mich ins falsche Gebiß der
Häßlichsten aller drei Töchterlein
Vom Landesjustizminister.“

Chor:
„Häßlichsten aller drei Töchterlein
Vom Landesjustizminister.“

Richter:
»Der Minister macht einen Freudensprung.
Und sagt: Mit Deinen Talenten –
Also wirklich, Du hast den gewissen Schwung
Eines Obergerichtspräsidenten.

An den Anblick des Mädchens gewöhnst Du dich bald
Sie riecht süß wie der Mai und würzig.
Bei Gegenlicht wirkt ihre Engelsgestalt
Kaum älter als dreiundvierzig.«

Chor:
„Bei Gegenlicht wirkt ihre Engelsgestalt
Kaum älter als dreiundvierzig.“

Richter:
„Der gute Minister hielt wirklich Wort
Und gab mir den schönen Posten,
Ich bin jetzt der Präsident am Ort,
Nur mein Weib beginnt leider zu rosten.

Doch sonst geht’s mir gut, man lädt mich ein
Und genießt meine tolle Rhetorik.

Ich referiere in jedem Verein,
Mein Verdienste sind äußerst honorig.“

Chor:
„Er referiert in jedem Verein,
Seine Verdienste sind sehr honorig.“

Richter:
„Ich war fast ein Krösus, doch wie schon gesagt,
Es klapperte noch das Gebiß der
Häßlichen alten schimmligen Magd
Vom Landesjustizminister.

Ich warf sie raus – was sollte ich tun?
Ich werde halt etwas blechen.
Dafür bin ich frei und richte nun
Über gebrochene Heiratsversprechen.“

Chor:
„Dafür ist er frei und verhandelt nun
Das gebrochene Heiratsversprechen.“

Richter:
„Denn jetzt bin ich Präsident!“

Chor:
„Alles Unrecht ist ihm fremd!“

Richter:
„Ich bin Gerichtspräsident!“

Chor:
„Alles Unrecht ist ihm fremd!“

Richter:
„Das Gesetz ist ein Schmand.
Doch ich bleib im Richteramt.
Bis zum Tode, verdammt!“

Chor:
„Ja, das Recht ist ihm bekannt!“

Richter:
„Denn mein Trick ist gut geglückt.“

Chor:
„Alles Glück ein Trick!“

Richter:
„Ja, mein Trick ist gut geglückt.“

Chor:
„Alles Glück ein Trick!“

Richter:
„Jeder sieht mit einem Blick,
Wie mein altbewährter Trick
Funktioniert hat! Welch ein Glück!“

Chor:
„Alles Glück ein Trick!“

* Der Vortrag geht auf ein Hörfunk-Feature zurück, das ich für den Deutschlandfunk geschrieben habe (Im Namen der Robe – Vom Dorfrichter Adam bis zu Barbara Salesch, DLF 2004). Für die hier vorgelegte Lesefassung wurde die Vortragsform weitgehend beibehalten. Ein Manko war nicht zu vermeiden: Die in den mündlichen Vortrag eingestreuten Musikbeispiele und Filmausschnitte lassen sich nun einmal nicht in Papierform bringen. Wer die Mühe nicht scheut, kann anhand der Fußnoten die missing links einfügen. Bei den wahren Freunden der Literatur muss ich mich entschuldigen für die unverzeihliche Grausamkeit, mit der ich verschiedenen Texten der Weltliteratur zu Leibe gerückt bin, indem ich sie gekürzt habe. Es geschah, wie ich zugeben muss, aus dem ganz und gar eigennützigen Motiv, die Verständlichkeit meines Vortrags zu retten.

 


Anmerkungen:

[1]   Obwohl uns natürlich immer das Bibelwort Matthäus VII, 1-5 in den Ohren klingt: »Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet! Denn mit welcherlei Gerichte ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden, und mit welcherlei Maß ihr messet, wird euch gemessen werden. Was siehest du aber den Splitter in deines Bruders Auge und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge? Oder wie darfst du sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen! und siehe, ein Balken ist in deinem Auge? Du Heuchler, zieh am ersten den Balken aus deinem Auge; danach besiehe, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehest!«, dazu Johann Sebastian Bach, K 185/2 BWV 185 »Ach greife nicht durch das verbotne Richten/ dem Allerhöchsten ins gericht!«

[2]   Über Konfuzius heißt es im ersten Kapitel der Schulgespräche: »Vom Aufseher der öffentlichen Arbeiten wurde Kung zum obersten Richter von Lu gemacht. Als solcher schuf er Gesetze, die aber nicht angewandt zu werden brauchten, da es keine Leute gab, die sie übertraten.« Vgl.: Chinesische Philosophie: Kungfutse: Gia Yü – Schulgespräche. Asiatische Philosophie – Indien und China, S. 26663; vgl. Kungfutse-Gia Yü, S. 17; http://www. digitale-bibliothek.de/band94.htm

[3] Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen, Aus dem Amerikanischen  von Brigitte Granzow. Mit einem einl. Essay von Hans Mommsen, München 1994; vgl. auch: Hannah Arendt, Das Urteilen. Texte zu Kants Politischer Philosophie. Herausgegeben und mit einem Essay von Roland Beiner. Aus dem Amerikanischen von Ursula Ludz, München 1995.

[4] Troubadours, Trouvères, Ministrels – Studio der frühen Musik Thomas Binkley, Teldec 4509-97938-2, 2 CDs mit Textheft, CD 2 Nr. 5; im Stil der antiautoritären Volkslied-Rezeption der 1970er Jahre: Ougenweide, Liederbuch, Polydor 837 162-2, 1 CD mit Textheft; Walters lyrisches Werk ist im Internet vollständig als freeware zugänglich unter: http://www.litlinks.it/ w/walther_v.htm

[5]   Wahrscheinlich um das Jahr 1205; auf das Jahr 1206 wird der Sängerkrieg auf der Wartburg in Eisenach datiert (wenn er datiert wird), der nicht nur Richard Wagner zu seinem Tannhäuser, sondern neuerdings auch Franz Hodjak zu einer fulminanten Roman-Parabel auf das Verhältnis von Kunst und Macht inspiriert hat: Franz Hodjak, Der Sängerstreit, Frankfurt 2000.

[6]   Auch der junge Goethe scheint einen skeptischen, wenn nicht verächtlichen Blick auf das Gerichtspersonal gepflegt zu haben: Im Götz von Berlichingen vertreten den Juristenstand erst ein schmieriger Schwätzer namens Olearius (vormals Ölmann, stets zu Diensten), dann eine anfangs rachsüchtige, alsbald aber ihre Feigheit offen legende Mannschaft von Dorfrichtern und schließlich einige grundböse Dunkelmänner, die ein Femegericht abhalten. Später scheint sich der Blick geändert zu haben, wie man an dem in weiser oder einfältiger Selbstbeschränkung lebenden Gerichtsrat in dem Schauspiel Die natürliche Tochter sehen kann.

[7]   In diesem Punkt stimmt die Volksmeinung mit derjenigen der Künstler überein, wie wir aus dem von Ludwig Bechstein überlieferten Märchen Der Richter und der Teufel lernen: Der reiche und boshafte Richter trifft den Teufel und zwingt ihn, mit ihm zusammen durch die Stadt zu gehen. Der Richter möchte unbedingt wissen, was die Menschen dem Teufel im Ernst geben. Es stellt sich heraus, dass dieser oder jener auf dem Markt zu einem anderen Menschen (Kind, Frau, Kollege) sagt: Scher Dich zum Teufel, dass dies aber nicht ernst gemeint ist. Ernst gemeint dagegen ist der Ausruf einer alten Frau, die den Richter als denjenigen erkennt, der ihr zu Unrecht ihre letzte Kuh genommen hat durch ein hartes Urteil: Dass sie es ernst meint mit ihrem Satz, er solle zum Teufel gehen, ist leicht erkennbar. So muss der Richter in die Hölle.

[8]   Keine Regel ohne Ausnahme: Paris, der in dem berühmten Streit dreier Göttinnen (Hera, Athene und Venus – Macht, Klugheit, Liebe) um den Preis der Schönheitskönigin das Urteil sprechen muss, ist ein ausnehmend wohlgestalteter Sohn der Erde, vgl. Christoph Martin Wieland: Das Urtheil des Paris, in C.M. Wieland: Sämmtliche Werke, III, Hamburg 1984 Nachdruck der 1795 im Göschen-Verlag Leipzig erschienenen Gesamtausgabe letzter Hand.

[9]   »Am vergangenen Donnerstag habe ich meine Richter gesehen. Ich will nicht behaupten, sie seien nicht schön; sie sind ganz abscheulich hässlich; und ihre Seele gleicht bestimmt ihrem Gesicht«, schreibt Charles Baudelaire am 18. August 1857 – kurz vor Beginn des Prozesses wg. Les Fleurs du Mal an seine damalige Geliebte, Madame Sabatier – zit. nach Charles Baudelaire, Sämtliche Werke/Briefe, hrsg. von Friedhelm Kemp und Claude Pichois, München 1975, Bd 3 S. 25 ff,

[10] »Grube und Pendel«, Frankfurt 2001; zahlreiche weitere Übersetzungen sind auf dem Markt, ferner auch mehrere Audio-Einspielungen; die Geschichte wurde mehrfach verfilmt, 1913 von Alice Guy, 1961 von Roger Corman; 1990 von Stuart Gordon.

[11] Ähnliche Schilderungen bei Victor Hugo, Der letzte Tage eines Verurteilten, aus dem Französischen übersetzt von W. Scheu, Zürich 1984, 2. Kapitel; Joseph Conrad, Lord Jim, aus dem Englischen übersetzt von Klaus Hoffer, Zürich 1998, 2000, Viertes Kapitel; vgl. auch das Gedicht: Das Gericht von Peter Huchel.

[12] Vgl. Herwig Görgemanns/Joachim Latacz (Hrsg.), Die griechische Literatur in Text und Darstellung, Griechisch/Deutsch, Band 1, Archaische Periode, Stuttgart 1991 (RUB), S. 207; vgl. auch Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, Zweites Buch, Nr. 84: »und doch ist es für eine Wahrheit gefährlicher, wenn der Dichter ihr zustimmt, als wenn er ihr widerspricht! Denn wie Homer sagt: ›Viel ja lügen die Sänger!‹«, Friedrich Nietzsche: Werke und Briefe: Zweites Buch. Friedrich Nietzsche: Werke, S. 6013, vgl. Nietzsche-W Bd. 2, S. 94) (c) C. Hanser Verlag, http://www.digitale-bibliothek.de/band31.htm ].

[13] So sieht es z.B. Thomas Bein in Walther von der Vogelweide. Stuttgart 1997 (Reclams Universal Bibliothek), S. 297 (»fiktive Spott- und Hohnattaxcke eines Kleinen gegen einen Großen«); ähnlich Claudia Brinker-von der Heyde, Die literarische Welt des Mittelalters, Darmstadt 2007, 112 f.

[14] Große Achtung erwarb sich der Richter Gi Gau, ein Schüler des Kung-Tse (Konfuzius): »Gi Gau war Strafrichter in We und verurteilte einen Mann zum Abhacken der Füße. Nach einiger Zeit kam es zu den Unruhen des Kuai Wai. Gi Gau wollte ihnen entgehen und ging nach dem Stadttor. Der Mann mit den abgehackten Füßen war Torhüter. Er sprach zu Gi Gau: ›Dort ist eine Lücke.‹ Gi Gau sprach: ›Der Edle klettert nicht über Mauern.‹ Da sprach er wieder: ›Dort ist ein Loch in der Mauer.‹ Gi Gau sprach: ›Der Edle kriecht nicht durch Löcher.‹ Da sprach jener abermals: ›Hier ist ein Haus.‹ Gi Gau trat ein. Als die Verfolger vorüber waren und Gi Gau im Begriff war weiterzugehen, da sprach er zu dem Mann mit den abgehackten Füßen: ›Ich konnte seinerzeit nicht umhin, in Ausübung der Gesetze meines Herrn selbst Euch die Füße abhacken zu lassen. Nun bin ich in Schwierigkeiten, das wäre gerade die richtige Zeit für Euch gewesen, mir Euern Groll heimzuzahlen, statt dessen habt Ihr mir dreimal durchgeholfen. Was ist der Grund davon?‹ Der Mann mit den abgehackten Füßen sprach: ›Daß mir die Füße abgehackt wurden, daran war ich selber schuld, da ließ sich nichts machen. Aber als Ihr damals mich zu richten hattet nach den Gesetzen, da suchtet Ihr nach einem Vorgang für meinen Fall, um mir die Strafe zu ersparen. Das wußte ich. Als dann der Fall erledigt war und die Strafe festgesetzt und es dazu kam, das Urteil zu verkündigen, da wart Ihr unruhig und betrübt. Als ich Eure Mienen sah, wußte ich das auch. Ihr habt wirklich nicht unrecht an mir getan. Wenn der Himmel einen Edlen hervorbringt, so legt er ihm den Weg (Tao) ins Herz; darum habe ich Euch durchgeholfen.‹   Meister Kung hörte den Vorfall und sprach: ›Trefflich, wer als Beamter das Gesetz einheitlich anwendet und doch auf Güte und Rücksicht bedacht ist, der pflanzt Gutes. Wer Härte und Strenge anwendet, der pflanzt Groll. Meister Gau verstand es, unparteiisch zu handeln.‹« [Chinesische Philosophie: Kungfutse: Gia Yü – Schulgespräche. Asiatische Philosophie – Indien und China (wie Anm. 2), S. 26706.

[15] Eingeräumt sei, was Friedrich Nietzsche im Dritten Buch der Fröhlichen Wissenschaft sagt: »Wenn Gott ein Gegenstand der Liebe werden wollte, so hätte er sich zuerst des Richtens und der Gerechtigkeit begeben müssen – ein Richter, und selbst ein gnädiger Richter, ist kein Gegenstand der Liebe.«, vgl. Friedrich Nietzsche, Werke, München o.J., Bd. 2, S. 134) (c);  http://www. digitale-bibliothek.de/band31.htm ]

[16] Mark Twain, Huckleberry Finns Abenteuer, Deutsch von Lore Krüger, Zürich 1985, Vorrede des Artillerie-Kommandanten G.G., »auf Befehl des Autors«.

[17] Es gibt natürlich weitere Phänotypen, die hier nicht behandelt werden:

1.) zum Beispiel den Unbedeutenden Richter, von dem William Shakespeares Komödie Maß für Maß, deren Hintergrund die reichlich unübersichtlichen Verhältnisse der Wiener Kriminaljustiz bilden, ein mustergültiges Exemplar auf die Bühne bringt. Während nämlich der Gerichtsdiener Elbogen (dim-witted) nebst dem Scharfrichter Grauslich und dem Bierzapfer Pompeius Pumphos die Szene beherrscht, besteht der ganze Text des im ersten Auftritt des Zweiten Aktes erscheinenden Richters in den Worten »Elf, gnädiger Herr« und »Ich danke Euch untertänig«,  erstere Aussage als Antwort auf die Frage, wieviel Uhr es sei, die zweite als Annahme einer Einladung zum Essen durch einen Herrn vom Staatsrat.

2.) Der Mensch als Weltenrichter – »Es erscheint uns heute selbst zum Lachen, wenn der Mensch in Anspruch nehmen wollte, Werte zu erfinden, welche den Wert der wirklichen Welt überragen sollten – gerade davon sind wir zurückgekommen als von einer ausschweifenden Verirrung der menschlichen Eitelkeit und Unvernunft, die lange nicht als solche erkannt worden ist. Sie hat ihren letzten Ausdruck im modernen Pessimismus gehabt, einen älteren, stärkeren in der Lehre des Buddha; aber auch das Christentum enthält sie, zweifelhafter freilich und zweideutiger, aber darum nicht weniger verführerisch. Die ganze Attitüde ›Mensch gegen Welt‹, der Mensch als ›Welt-verneinendes‹ Prinzip, der Mensch als Wertmaß der Dinge, als Welten-Richter, der zuletzt das Dasein selbst auf seine Waagschalen legt und zu leicht befindet – die ungeheuerliche Abgeschmacktheit dieser Attitüde ist uns als solche zum Bewußtsein gekommen und verleidet – wir lachen schon, wenn wir ›Mensch und Welt‹ nebeneinandergestellt finden, getrennt durch die sublime Anmaßung des Wörtchens ›und‹!« Friedrich Nietzsche: Werke und Briefe: Die fröhliche Wissenschaft, Fünftes Buch. Wir Furchtlosen. Friedrich Nietzsche: Werke, S. 6232; vgl. Nietzsche-W Bd. 2, S. 211) (c) C. Hanser Verlag, http://www.digitale-bibliothek.de/band31.htm.

3.) Die Welt als Menschenrichterin:  Das Empfinden, die ganze Welt habe sich gegen einige Menschen verschworen, um ungerecht  Recht über sie zu sprechen, findet sich in dem während der Weberaufstände im 19. Jhdt. entstandenen anonymen Volkslied: »Die Welt, die ist jetzt ein Gericht/ noch schlimmer als die Feme./ Wo man nicht erst ein Urteil spricht,/ das Leben schnell zu nehmen. – Hier wird  der Mensch langsam gequält,/ hier ist die Folterkammer./ Es werden Seufzer viel gezählt/ als Zeugen von dem Jammer. – Die Herren Zwanziger die Henker sind,/ die Diener ihre Schergen, davon ein jeder tapfer schindt,/ anstatt was zu verbergen … Und hat auch einer noch den Mut,/ die Wahrheit herzusagen,/ dann kommt’s so weit, es kostet Blut;/ und dann will man verklagen.« Zit. nach Ernst Klusen (Hrsg.), Deutsche Lieder, Frankfurt 1980, S. 516; aus den Untersuchungsakten zum Weberaufstand: »Am Abend des 3. Juni zogen ungefähr 20 Personen bei den Gebäuden der Kaufleute Zwanziger vorbei und sangen ein Spottlied auf die genannten Kaufleute: es entstand hierdurch Lärm und der Gerichtsmann Wagner verhaftete einen der Teilnehmer…Das abgesungene Gedicht wurde ebenfalls ergriffen.« Zit. nach Klusen, ebenda, S. 842.

4.) Der Tod als Richter, vgl. Andreas Gryphius, 1616–1654, Auff eines vornehmen Juristen Grab-Stein.

    

     Der Ich durch all Gesetz vnnd alle Recht kont brechen;

    Dem an Verstand vnd Kunst kaum jemand gleiche war;

    Der Ich die Dunckelheit der sache machte klar;

     Hab vber mich den Todt must lassen Vrtheil sprechen/

     Den Todt/ an dem mich nicht mein grosse Macht könt rächen!

    Nichts galt mein hoher Sinn; nichts galt der Worte schar.

    Mein wolberedte Zung erstumbte gantz vnd gar/

     Als mich der scharffe Pfeil des Richters thät erstechen.

      Jtzt sind mein Augen zu/ dehn vor nichts mochte sein

     Verborgen/ vñ mich selbst verbirgt ein kurtzer Stein.

     Was hilfft nun daß Ich vor kondt rathen allen Sachen

    Daß Ich vor keinem Part noch Throne mich entsetzt/

    Daß mir kein Handel je ward allzuschwer geschätzt/

     Da ich nicht möcht den Streit des Todes richtig machen.

 

    (Gryphius: Sonette. Deutsche Lyrik von Luther bis Rilke, S. 40908; Gryphius-GA Bd. 1, S. 15–16).

    5.) Der bescheidene Richter. Während uns in der Literatur häufiger Richter gezeigt werden, deren Beschränktheit gerade durch das Auftrumpfende ihres Benehmens hervortritt, hat Johann Wolfgang von Goethe den selteneren Gegentypus in dem Gerichtsrat geschaffen, der eine Retter-Rolle in dem Schauspiel Die natürliche Tochter zu übernehmen hat (s. u.). Dieser Richter kennt seine Grenzen und überschreitet sie nicht, seine Geisteshaltung schillert zwischen Weisheit, Bescheidenheit, Kleingeistigkeit und Feigheit:

 

In abgeschloßnen Kreisen lenken wir,

    Gesetzlich streng, das in der Mittelhöhe

Des Lebens wiederkehrend Schwebende.

    Was droben sich in ungemeßnen Räumen

    Gewaltig seltsam hin und her bewegt,

    Belebt und tötet ohne Rat und Urteil,

    Das wird nach anderm Maß, nach andrer Zahl

    Vielleicht berechnet, bleibt uns rätselhaft.

 

Vgl. Goethe-HA Bd. 5, S. 272-273;

6.) Der Richter als Künstler – dass es auch diese Spielart gibt, trat durch ein Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf ins Bewusstsein des öffentlichen Diskurses, in dem festgehalten wurde dass der Juror des Spruchkörpers, der bei dem Fernsehsender RTL für Deutschland den Superstar sucht, ein Künstler im Sinne der Versicherungspflicht bei der Künstlersozialkasse ist: Dieter Bohlen ist Richter und Künstler in einem, (dpa-Meldung vom 12. November 2007;

7.) José Ortega y Gasset hat den in seinen Augen verabscheuungswürdigen  Typus des »zufriedenen jungen Mannes« beschrieben (Der Aufstand der Massen, Stuttgart 1963) – dementsprechend kann auch Der zufriedene Richter besichtigt werden, und gar nicht selten. Bei leichtem Übergewicht und leicht übertriebener Gesichtsglätte trägt sein Lächeln eine leicht übertriebene Aufgeräumtheit zur Schau, wie sie jene Schüler empfinden, die genau wissen, dass sie den Anforderungen des Lehrers entsprechen; leider lauert hinter diesem Stolz auf den eigenen von Harm- und Phantasielosigkeit genährten Gehorsam  die Bereitschaft, jeden, der seinen Ranzen oder sein Gesicht nicht so gut aufgeräumt hat, unter dem Tisch gegen die Schienbeine zu treten, ohne dass es jemand merkt. Einen solchen grundzufriedenen, von Makkaroni mit Ketchup träumenden Richter beschreibt Jürgen K. Hultenreich in seinem Roman Die Schillergruft, Berlin 2001, S. 186 ff.

8.) Der in Zorn ausbrechende Richter. Den Beruf des Richters kann nur ausüben, wer Geduld hat. Man muss sich jede Menge Lügen anhören und dazu ein unbewegtes Gesicht machen. Man muss jede Menge Streitwerte festsetzen und damit den Rechtsanwälten, die man für chronisch überbezahlt, fachlich  überschätzt und moralisch zumindest überfordert  halt, das Heu in die Scheune schieben. Man muss als Instanzrichter jede Menge von den Obergerichten entwickelter Rechtssätze anwenden und damit seinen geborenen Feinden, nämlich den Oberrichtern, die man für chronisch überbezahlt und chronisch unterbelichtet halt, huldigen. Bei so bewandten Sachen ist es nur menschlich,  dass man sich gelegentlich Luft macht.  Wenn die eigene Familie sich nicht als Opfer zur Verfügung stellt und die Geschäftstellenverwalterin krank ist, kann es geschehen, dass der ansonsten so geduldige Herr Kammervorsitzende einem verdutzten Anwalt oder einer Partei sowas von hanebüchen die Leviten liest wie es der Richter Wool in der Satire What is a judge? des gelernten Rechtsanwalts und langjährigen Unterhausabgeordneten Alan Patrick Herbert (1890–1972) tut, indem er den Anwalt unvermittelt als alten Schwätzer anredet und seine Mandantin als blonde Kuh. In Wahrheit handelte es sich um eine Schauspielerin, die nach Vertrag für jede Drehwoche 5000 Pfund erhalten sollte und die an sich auf fünf Wochen angesetzte Drehzeit auf 15 Wochen ausgedehnt hatte, indem sie sich weigerte eine vorgesehene Bade-Szene zu spielen, so lange das Wasser im Pool nicht auf mindestens 24 Grad geheizt war (vgl. A. P. Herbert, Clear Facts, Muddled Laws – Alles was Recht ist, dtv-zweisprachig, übersetzt von Richard Frenzl, München 1989).

9.) Der Verbrecher als Richter tritt uns in Alfred Hitchcocks Spielfilm Jamaika Inn aus dem Jahre 1939 entgegen. Dass ser Richter und Staatsanwälte nicht als Kämpfer für Gerechtigkeit ansah, sondern im Großen und Ganzen als zynische, kalte,  skrupellose und egoistische Heuchler, kann man auch in anderen Werken Hitchcocks feststellen. In Jamaika Inn ist der Richter aber nicht nur eine moralisch fragwürdige Gestalt und ein seinem Amt nicht gewachsener Mensch, sondern der Anführer einer Räuberbande, vgl. Andreas Grube, Gerichtsszenen bei Alfred Hitchcock, NJW 2007, 631 ff. 10.) Der zynische Richter begegnet dem Leser bei Louis-Ferdinand Céline (1894–1961) in dem Roman Reise ans Ende der Nacht, übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel, 2. Auflage, Reinbek bei Hamburg 2003, Seite 198-208: Er trägt den Namen Grappa und ist Kolonial-Leutnant in dem kleinen Ort Topo im Kongo. Ihm zur Seite steht der Sergeant Alcide, der seinerseits eine Truppe von 12 einheimischen  Milizionären befehligt. Grappe, »dessen Leib gewaltig war, eine Strafe, mit kurzen, purpurroten, schauderhaften Händen. Händen, die nie irgendwas begreifen würden. Abgesehen davon versuchte Leutnant Grappe auch gar nichts zu begreifen«,  hält jeden Donnerstag Gericht und versucht dieser von ihm als lasting empfundenen Pflicht dadurch enthoben zu warden, dass er absurde und grausame Urteile spricht. Gleichgültig, was ihm vorgetragen wird von Parteien und Zeugen, stets greift er willkürlich einen derv or ihm Erschienen heraus und lässt ihn aufs Blut auspeitschen. Sonderbarerweise hält  dieses Verfahren die einheimischen Rechtssuchenden nicht davon ab, immer wieder vor dem Richter Recht zu suchen;  einer tritt sogar freiwillig zum Empfang der Peitschenhiebe an. Grappa, der zur Metapher eines boshaften Gottes taugt,  sitzt derweil in einem knirschenden Rohrsessel und raucht Zigarren: »Ah! Wenn die nur wüssten, wie scheißegal mir denen ihre Zänkereien sind, dann würden die in ihrem Dschungel bleiben und mir nicht hier mit ihrem Blödsinn auf die Nerven gehen! … Erzähle ich denen etwa die ganze Zeit von meinen Angelegenheiten? Obwohl, so langsam möchte ich fast glauben, denen gefällt meine Rechtsprechung irgendwie, diesen Mistkerlen! Seit zwei Jahren versuch ich jetzt, ihnen den Spaß zu verleiden, aber sie kommen jeden Donnerstag wieder … Glauben Sies mir oder nicht,  junger Mann, das sind fast immer dieselben, die da kommen! … Pervers müssen die sein, oder was!«

11.)  Der Richter als Mitglied des Spruchkörpers unterliegt, wie jeder Richter weiß, der einmal einer Kammer oder einem Senat angehört hat, einer besonderen Seinsweise, die man als perennierende, weil strukturelle narzistische Kränkung bezeichnen kann. Weder das Haupt dieses delikaten, ja prekären corpus iuris noch seine Glieder können je, wie sie eigentlich wollen, weshalb keiner von ihnen sich zu wollen traut,  was er im Grunde zu können wünscht, so dass, was sie als Kollegium tun, oft keiner gewollt hat, weshalb sie, zur Vermeidung dauerhaften und gesundheitsschädlichen Zwists,  sich gegen den Rest der Welt umso inständiger verschwören. Wehe dem, der da nicht mittut!  Ein Beispiel dafür finden wir in der Geschichte von Sir Oblong-Fitz-Oblong, dem kleinen dicken Ritter: Er erhält vom Herzog den Auftrag auf den Bollingru-Inseln für Ordnung zu sorgen. Deren Bewohner werden ausgeplündert von Baron Bollingru, der sich der Mithilfe des Ritters Schwarzherz bedient.  Ein Mittel der Ausplünderung besteht darin, dass Bolingru und Schwarzherz, die einander im Grunde verachten, gemeinsam zu Gericht sitzen und eklatant ungerechte Urteile zu eigenem Nutz und Frommen fällen. Sir Oblong, wie weiland Don Quijote fahrender Ritter in höherem Auftrag, gelingt es, als drittes Mitglied in den Spruchkörper gewählt zu werden. Sofort entsteht Streit um den Zeitpunkt des Sitzungsbeginns, um die Kleiderordnung (Robe oder nicht) und um Befangenheitsprobleme. Oblong muss erkennen, dass seine beiden Kollegen, von denen der eine während der Verhandlung ungeniert schnarcht, zu unparteiischer Amtsausübung nicht überredet werden können,  sondern ihm und den Parteien unter Berufung auf die Bolingrusche Prozessordnung und das dort verankerte Mehrheitsprinzip rüdest übers Maul fahren. Das Recht hat erst dann wieder eine Chance, als es Oblong gelingt, einen vierten Richter ins Kollegium zu bringen: Nun müssen, damit überhaupt entschieden werden kann, Sachargumente sprechen. Die Augsburger Puppenkiste hat vor fast einem halben Jahrhundert aus dem Kinderbuch Der kleine dicke Ritter  (Süddeutsche Zeitung, München 2005) von Robert Oxton Bolt (1924–1995) ein hübsches Puppenspiel gemacht (DVD, Schwarz-Weiß, Augsburger Puppenkiste, Oehmichens Marionetten Theater, hr MEDIA, Katalog-Nr. 280042)

12.) Der Richter als Terrorist ist eine Gestalt, die uns vielleicht nur in den Medien und in der politischen Propaganda begegnet, vielleicht aber auch tatsächlich existiert: In Somalia hatten nach einer seit 1991 herrschenden Anarchie die Scharia-Richter begonnen, etwas Ordnung zu schaffen. Nach Auffassung der Amerikaner war diese Ordnung nicht akzeptabel, sie sah wohl für westliche Maßstäbe unangemessene Verbote vor, wie beispielsweise für das Anschauen von Fuißballspielen im Fernsehen. 2006 marschiertedie äthiopische Armee ein. Die Richter flohen und lassen nun Milizen gegen die äthiopische Besatzung kämpfen. Das Erscheinungsbild dieses Richtertyps ist  soldatisch, vgl. FAZ 27. September 2008, Nr. 227, Seite 4. Einen Scharia-Richter gibt es inzwischen wohl auch in Berlin, er heißt Hassan Allouche, und sein Bild erinnert an einen wohlgenährten Freiheitskämpfer in Freizeitkleidung, allerdingsarbeitet er bei einem Autohändler in Berlin,  trägt eine schusssichere Weste; er vermittelt zwischen rivalisierenden Clans. Ein terroristischer Richter ist in der Vorstellung des Angelus Silesius oddenbar auch Jesus Christus, wenn er das Jüngste Gericht hält:

 

Das Urteil ist bald abgefaßt,

      Er sprichts mit eignem Munde,

      Er sprichts, daß auch das Blut erblaßt

      In ihres Herzens Grunde:

 

     …

      Geht hin und weichet weg von mir,

      Ihr Grundvermaledeiten,

      Geht hin, trollt euch von meiner Tür,

      Bleibt weg zu ewgen Zeiten.

      Geht hin ins Feur, ins ewge Feur,

      In Schlund der grundten Höllen

      Mit Beelzebub, dem Ungeheur,

      Und seinen Rottgesellen.

 

     …

     Da fallen sie mit großem Schrein,

      Mit Prasseln und mit Krachen

      Wie Klötze in den Schlund hinein

      Und in der Höllen Rachen.

 

[Angelus Silesius: Sinnliche Beschreibung der vier letzten Dinge. Deutsche Lyrik von Luther bis Rilke, S. 3660 (vgl. Angelus-SW Bd. 3, S. 245-246) http://www.digitale-bibliothek.de/band75.htm ]

13.) Das Volk als Richter ist vermutlich das Schlimmste, was einem Rechtsuchenden begegnen  kann. »Wir haben ein Gesetz/ Und nach dem Gesetz/Muss er sterben!« antwortet das Volk dem Pontius Pilatus in der Johannes-Passion.

14.) Der Sitzer und sieben weitere Richtertypen sind von dem Wiener Rechtsanwalt und Essayisten Walther Rode (1876–1934) in seinem Buch Knöpfe und Vögel – Lesebuch für Angeklagte (Edition Memoria, Hürth bei Köln und Wien 2000, herausgegeben von Thomas B. Schumann) trefflich beschrieben worden. Die Richter sieht er als einen asketischen, am Ufer des Daseins misstrauisch hockenden Menschenschlag, dem die sitzende Lebensweise von Gott vorgeschrieben ist – so Anton Kuh im Vorwort –: »Die breiten Gesäße beherrschen die Welt.«

[18] Einzelheiten siehe bei: Reinhard Staats, Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel, Darmstadt 1996.

[19] got ist selber recht. dar umme ist im recht lip, schrieb Eike von Repgow

[20] Nach ältester chinesischer Tradition stehen die Funktionen in Staat und Gesellschaft in einer festen Verbindung zu den Jahreszeiten, die ihrerseits Vertreter der kosmischen Ordnung sind. Diese Ordnung darf nicht verletzt werden, wenn das biologische Leben der Einzelnen und das Leben der Gemeinschaft, ja sogar das Wetter nicht verwirrt werden soll. Wenn der Himmelssohn nicht bestimmte Handlungen zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten verrichtet, so kann es geschehen, dass der Kosmos damit antwortet, dass auch er bestimmte von ihm erwartete und regelmäßig erbrachte Leistungen verweigert: Sonne und Wind zu bekömmlichen Zeiten zu schicken usf. Die Zeit des Richtens ist der Herbst, was nahe liegt, denn das Richten hat zweifellos etwas von einer Abrechnung und von der Ernte und der Verteilung derselben. »Der Meister des Gerichtswesens (Sï-Kou) hat das Amt des Herbstes, indem er öffentliche und private Prozesse hört, die Unordnungen und Widersetzlichkeiten des Volkes in Ordnung bringt und die Waage hält, um das Volk nach der Mitte hin zu ändern. Alle Unbotmäßigkeit des Volkes entspringt aus untätiger Sicherheit.« Chinesische Philosophie: Li Gi – Das Buch der Riten, Sitten und Gebräuche. Asiatische Philosophie – Indien und China, S. 25315 – Li Gi, S. 100; http://www.digitale-bibliothek.de/ band94.htm ].

[21] Nach Platon, Kritias, 119 c ff. hatte das vorgeschichtliche Atlantis (zehntausend Jahre vor der klassischen Zeit Athens) seine Gesetze von Poseidon empfangen; es war auf eine Erzsäule geschrieben, die im  Poseidon-Tempel inmitten der Insel stand. Hier, im Tempel, richteten die zehn Könige von Atlantis, nachdem sie gemeinsam einen der im Heiligtum frei herumlaufenden Stiere mit Knüppeln nund Fäusten gejagt, getötet und sein Blut auf das Gesetz hatten spritzen lassen, nächtens in schönen blauen Roben unter dem Beistand des Gottes und des Weines., vgl. Platon, Werke, hrsg. v. Günther Eigler, bearb. von Klaus Widdra, Griech. u. Deutsch, Bd 7, Darmstadt 2005, S. 249,

[22] Kulturübergreifend ist allerdings auch die Vorstellung, dass, im Falle einer vollkommen gerechten Einrichtung des Lebens, wie sie im Goldenen Zeitalter, im Paradies, im Nirwana  oder im Endstadium des Kommunismus anzutreffen war oder sein wird, weder für Gesetze noch für Richter Platz ist: Ovid, Metamorphosen, I, 89-93:

Aurea prima sata est aetas, quae vindice nullo,

           sponte sua, sine lege fidem rectumque colebat.   

           poena metusque aberant, nec verba minantia fixo

           aere legebantur, nec supplex turba timebat

           iudicis ora sui, sed erant sine vindice tuti.

[23] In einer 2007 erschienenen Erzählung klagt Hiob gegen Gott, ein schwieriges Unterfangen, da auch in diesem Prozess Richter auch wieder Gott ist. Interessanter wäre es vielleicht gewesen, den Teufel auf die Richterbank zu setzen, Ludwig Lütkehaus, Das nie erreichte Ende der Welt, Frankfurt am Main 2007.

[24] Ein sehr berühmter, selbstbewusster und stets mit streng zurückgekämmtem Haar, Nackentolle, geschliffenen Worten und gefährlichem Blick durch eine gefährlich funkelnde Brille auftretender spanischer Richter und Medien-Star ist seine Exzellenz Baltasar Garzón, Ermittlungsrichter am Tribunal Supremo, der im Juli 2006 durch Einstweilige Verfügung einer Rock-Band aus Benicassím untersagen ließ, weiterhin unter dem Namen »Garzón« aufzutreten. Die Gruppe folgte dem Gerichtsbefehl umgehend und verkündete auf ihrer Website www.superjuez.com: »Es handelt sich um ein schreckliches Missverständnis. Als wir uns diesen Namen gaben, hatten wir nur eine Absicht: Wir wollten unserer Ehrerbietung gegenüber einem der Großen unserer Zeit Ausdruck verleihen, einem Mann, der den zu Unrecht aus der Mode gekommenen Tugenden der Gelassenheit und … Bescheidenheit endlich wieder Geltung verschafft … Unsere Absicht war, den größten Richter Spaniens zu ehren …«. Die Gruppe änderte ihren Namen aufgrund der Einstweiligen Verfügung in »Grande-Marlaska«, womit sie den Namen eines ebenfalls am tribunal supremo tätigen Kollegen von Garzón wählte, ohne dass dieser Kollege sich dagegen gewehrt hätte, EL PAIS, sábado 22 de julio de 2006, S. 40.

[25] Dass irrationale Kräfte auch in der heutigen Rechtskultur wirken, zeigt Uwe Volkmann (FAZ 16. März 2007, Nr. 64/2007, S. 9: »Einst versammelte sich das Volk um die Schamanen und die Altäre, um sich in der Vertreibung der bösen Geister zumindest kurzzeitig als stark und geeint zu erfahren. Heute versammelt sich eine demokratisch verfasste Gesellschaft, die ohne gesicherte Wahrheit auskommen muss und deren Mitglieder einander fremd geworden sind, um das Recht – das symbolische Recht.« Ein schönes Beispiel für solche Debatten um Gesetze, deren Wirkung auf die Lebensverhältnisse sehr überschaubar ist, war der erbittert geführte Streit in Rechtswissenschaft und Rechtsprechung um die durch § 14 Abs. 3 TzBfG im Jahre 2002 geschaffene Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen mit Menschen ab 52 Jahren. Während die einen eine massenweise Entrechtung älterer Arbeitnehmer fürchteten, glaubte der Gesetzgeber ein Instrument zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit älterer Menschen gefunden zu haben. In Wahrheit waren weniger als 1500 Arbeitnehmer von der Regelung überhaupt betroffen, also weniger als 0,01 vH der Erwerbstätigen. Der einzige allerdings Aufsehen erregende Prozess um die Norm war nach Auskunft aller Fachkundigen getürkt.

[26] Mit Nicole Kidman und Tom Cruise, DVD 2001, ASIN: B00005ML1O,

[27] Arthur Schnitzler (hrsg. Peter Bekes), Traumnovelle, Textausgabe mit Materialien, Braunschweig 2003

[28] Les francs-juges – die Femerichter lautet der Titel eines vielgespielten Orchesterstücks (op. 3) von Hector Berlioz – London Classical Players unter d. Ltg. v. Roger Norrington, virgin veritas 7243 5 61379 2 9, der eine Oper mit diesem Titel (Les francs-juges) geplant hatte, in der ein Chor der Femerichter auftreten sollte: Der Text seines Librettisten und Freundes Humbert Ferrand lautete wie folgt:

»Wir, die Rächer der himmlischen Gesetze

     Wir, deren Schicksalsarm das Verbrechen besiegt.

     Wir zerschmettern, zerschmettern Euer Opfer;

     Wir verschließen unsere Herzen dem Mitleid.

     Wir genießen die Schreie des Bluts und der Erde!

     Unsere Augen sind erleuchtet von einer inneren Flamme!

     Wir ermüden nicht, wir zerschmettern das Opfer!

     Dass man an unseren Schrecken glaubt, zerschmettern wir!«

[29] Zu Gericht über Menschen saßen die griechischen Götter freilich nicht. Dazu hätten sie gerecht sein müssen, was ihnen fernlag und nach Ansicht des griechischen Tragödienschreibers Euripides auch nichts genutzt hätte, weil sie mit dem Übermaß an Schuld, das sich die Menschen aufladen, nicht ferig geworden wären: »Auch nicht der ganze Himmel wäre groß genug,/ Der Menschen Sünden, wenn sie Zeus dort schriebe auf,/ Zu fassen, noch auch er, zu überschauen sie / Und jedem seine Strafe zuzuteilen. Nein! / Die Strafe ist schon hier, wenn Ihr nur sehen wollt!«, zit. nach  Hans Blumenberg, Die Lesbarkeit der Welt, Frankfurt 1986, S. 18.

[30] Für die Griechen war das Wesen des Göttlichen nicht notwendig mit der Gerechtigkeit verbunden, dafür trieben die Olympier nach der communis opinio des ebenso kommunen Athener Stadtbürgers zu viel göttliches Unwesen. In Platons Staat vertritt Thrasymachos die Auffassung, jeder, auch der gerechte Mann, werde, vorausgesetzt, er könne sich unsichtbar machen wie Gyges mit dem Ring, Frau und Gut und Leben seines Nachbarn nicht unangetastet lassen, er werde sich eben genau so (ungerecht) benehmen wie es die Götter auf Erden zu halten pflegten: »Wenn es nun zwei solcher Ringe gäbe und den einen der Gerechte sich ansteckte, den andern der Ungerechte, so wäre, wie mir scheint, wohl keiner von so eherner Festigkeit, daß er bei der Gerechtigkeit bliebe und es über sich gewänne, fremden Gutes sich zu enthalten und es nicht zu berühren, trotzdem daß er ohne Scheu sogar vorn Markte weg nehmen dürfte, was er wollte, und in die Häuser hineingehen und beiwohnen, wem er wollte, und morden und aus dem Gefängnis befreien, wen er wollte, und überhaupt handeln wie ein Gott unter den Menschen.« Platon, Sämtliche Werke, Bd. 2, S. 49-50; http://www.digitale-bibliothek.de/ band2.htm.

[31] Es sind drei an der Zahl: Eirene (Frieden), Eunomia (Ordnung) und Dike (Gerechtigkeit)

[32] »Es schweigt mir jegliche Natur/ Beim Ticktack von Gesetz und Uhr«, Friedrich Nietzsche,  Die fröhliche Wissenschaft,  Philosophie von Platon bis Nietzsche, S. 67299, vgl. Nietzsche-W Bd. 2, S. 28), http://www.digitale-bibliothek.de/band2.htm.

[33] Bayerisches Staatsorchester u. d. Ltg. v. Robert Heger, mit Anneliese Rothenberger, Brigitte Fassbaender, Nicolai Gedda, Hermann Prey ua, EMI-Classics, 7243 5 66364 2, 2 CDs mit Textbuch.

[34] Peter Tosh, Honorary Citizen, Columbia/Legacy, C3K 65064-65066, 7464-65064-2, 3 CDs mit Textbuch.

[35] Walter Leisner, Das letzte Wort – Der Richter späte Gewalt, 1. Auflage, Berlin 2003.

[36] Notabene: Nicht immer ist es feine Gesellschaft, die vor Gericht steht. Gottfried August Bürger (Lenore, str. 25 fg): »am hochgericht / tanzt um des rades spindel / halb sichtbarlich bei mondenlicht / ein luftiges gesindel.«

[37] The D’Oyly Carte Opera Company/ Orchestra of the Royal Opera House, Covent Garden,, unter d. Ltg. v. Bridget D’Oyly Carte, mit Ann Hood, Thomas Round, John Reed u.a., DECCA 473-665-2, 2 CDs (mit: The Yeomen Of The Guard.)

[38] Alle Texte aller Gilbert&Sullivan-Opern (u.v.a.m.) findet man in »The Gilbert & Sullivan-Archive« unter math.boisestate.edu/gas/ im Internet.

[39] Bamberger Symphoniker unter d. Ltg. v. Hans Gierster, mit Dietrich Fischer-Dieskau, Ingeborg Hallstein, Fritz Wunderlich u.a., Deutsche Grammophon 471-139-2, 1 CD.

[40] The Monteverdi Choir, English Baroque Solist unter d. Ltg. v. John Eliot Gardiner  mit Caroly Watkinson, Barbara Hendricks u.a. Philips 421 612-2, 2 CDs mit Textheft.

[41] Vgl. Ludwig Feuerbach, Das Wesen des Christentums, mit einem Nachwort von Karl Löwith, Stuttgart 1969, 13. Kapitel: Die Allmacht des Gemüts oder das Geheimnis des Gebets.

[42] Mehrere Kantaten Bachs haben die Angst vor Gottes Gericht zum Thema: »Ein unbarmherziges Gerichte/ wird über dich gewiss ergehn!« K 89/3. »Ich armer Mensch, ich armer Sünder/ steh hier vor Gottes Angesicht, / ach Gott, ach Gott, verfahr gelinder / und geh nicht mit mir ins Gericht« K 179/6 … »Bei Warten ist Gefahr, / willt Du die Zeit verlieren, / der Gott, der ehmals gnädig war, / kann leichtlich dich vor seinen Richtstuhl führen« K 102/6. Vgl. Lucia Hasselböck, Bach-Textlexikon, Kassel 2004, S. 85, Stichwort »Gericht«.

[43] Eine märchenhaft-komische Übersteigerung des Angstmotivs findet sich auch im Kirke-Kapitel (Kapitel 15) des Ulysses, in dem Leopold Bloom zunächst vor einem steinbärtigen Kriminalrichter erscheinen muss und sich anschließend selbst zum Richter ausruft, vgl. James Joyce, Ulysses, Roman, übersetzt von Hans Wollschläger, kommentierte Ausgabe Frankfurt 2004.

[44] Aristophanes, Sämtliche Komödien, übertragen von Ludwig Seeger, Einleitung von Otto Weinreich, Zürich 1968, S. 191 ff.

[45] Der Richter und sein Henker, Zürich 2002; auch die übrigen Auseinandersetzungen Dürrenmatts mit dem Thema weisen eine hohe Tiefenschärfe auf: Justiz, Roman, Zürich 1998; Die Panne, Erzählung, Zürich 1995; Der Verdacht, Kriminalroman, Zürich 2002.

[46] Dieser gewalttätige Hintergrund des Urteilens geht auch im metaphorischen Gebrauch nicht verloren. Christoph Martin Wieland (1733–1813) schrieb an Johann Heinrich Merck, den er als Rezensenten des Teutschen Merkur bei Laune halten wollte: »Ihr löbliches Vorhaben, sich künftig im Merkur aufs Loben zu legen i.e. uns Freunde mit dem ungerechten Mammon zu machen, hat … meinen großen Beyfall. Aber dann und wann eine Execution … ist höchst nöthig, weil I. das Publicum von Zeit zu Zeit gerne jemand hängen oder Köpfen sieht; secundo, weil wir uns dadurch im Besitz unserer hohen Gerichtsbarkeit erhalten. Und eben darum müssten solche Executionen selten … aber wenn sie geschehen, desto feyerlicher und exemplarischer seyn.« An Merck, 31. Mai 1776, Wieland, Briefe, Bd 5, S. 510.

[47] An diese Tatsache erinnert auch der Umstand, dass im sagenhaften Atlantis der Gerichtstag, der in diesem Falle eine Gerichtsnacht war, mit einem ziemlich grausamen und blutigen Opferritual begann: Stierblut mussten die Richter eigenhändig auf das Gesetz spritzen, vgl. Platon, Kritias, 119 c, zit. Nach Platon, Werke, Griech.-Deutsch, herausgegeben von Günter Eigler, Darmstadt 2005, S. 249, 250.

[48] Das Verhältnis zwischen Gesetz und Unrecht ist vielschichtig, manchmal bringt das Gesetz die Sünde erst hervor: »Die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz«, Paulus 1 Kor. 15, 56.

[49] London Symphony Chorus/London Symphony Orchestra unter d. Ltg. v. Richard Hickox mit Simon Keenlyside, Philip Langridge, John Tomlinson u.a., Chandos 9826 (3), 3 CDs mit Textheft; als Video-DVD: English National Opera Chorus/English National Opera Orchestra unter d. Ltg. v. David Atherton, mit Thomas Allen, Philip Langridge, Richard van Allen u.a., Arthaus Musik 100 278.

[50] Hermann Melville, Vortoppmann Billy Budd und andere ausgewählte Erzählungen, Leipzig 1984.

[51] Christoph Martin Wieland schrieb in einer Anmerkung zu Johannes Daniel Falks satirischem Epos: Die Helden: »Freilich trat hier einer von unseren unseligen Kollisionsfällen ein, wo das größte Recht in einem anderen Sinne großes Unrecht ist.« Vgl. Johannes Daniel Falk, Die Prinzessin mit dem Schweinerüssel, Lustspiele, Gedichte, Publizistik, hrsg. Paul Saupe, Berlin 1988, S. 661.

[52] Von den Schrecken des alltäglichen Wirkens dieses Mannes findet sich ein beeindruckender Bericht bei Rudolf Predeek, Die rote Robe, Düsseldorf 1949: Der Düsseldorfer Unternehmer (Mineralwasser), Karnevalspräsident und Angehörige des Honoratiorenvereins Düsseldorfer Jonges Leo Statz (1898–1943) hatte den Wunsch eines Angestellten nach Gehaltserhöhung zurückgewiesen und war von diesem Angestellten daraufhin wegen einer defaitistischen Äußerung über die Kriegsaussichten Deutschlands denunziert worden – eine Frühform des whistle-blowing. Da Statz sich schon häufiger widerspenstig gegenüber der NSDAP gezeigt hatte, beschloss man an ihm ein Exempel zu statuieren. Über die Verhandlung vor dem Volksgerichtshof unter Freislers Vorsitz schreibt Predeek (aaO., S. 82 ff. ) u. a.: »Freisler hatte eine durchtrieben wirkungsvolle Verhandlungsmethode. Sachlich und ruhig begann er zu sprechen. Fast erreichte er es, dass er Zutrauen erweckte, um sich dann plötzlich mit umso überraschenderer Wendung unversehens auf sein Opfer stürzen zu können. Er … genoss seine Stunden in selbstgefälligen Zügen, ein judex diabolicus, dem nichts heilig war, weder das Recht, das er nicht anerkannte, noch das Volk, das er betrog, noch der Unschuldige, den er verfolgte.« Statz, tiefgläubiger Katholik, wurde von Freisler im Gerichtssaal dem Spott der Zuschauer preisgegeben, insbesondere das relativ hohe Einkommen des Unternehmers gab Freisler Gelegenheit, den Neid der Zuhörer gegen Statz aufzustacheln. Statz wurde zum Tode verurteilt und am 1. November 1943 gegen 16.00 hingerichtet. Vgl. auch Helmut Moll, In den Fängen des Nationalsozialismus, Düsseldorfer Jahrbuch, Bd. 68, Düsseldorf 1997, S. 194–202; von Statz, der viele Karnevalslieder schrieb (u.a. 1938 in Anspielung auf Mussolini: »Sei doch einmal nett zu mir. Alles, alles schenk ich Dir, sei nicht zaghaft-zimperlich: Duze, Duze, Duze mich!«, das verboten wurde, woraufhin Statz als Motto des Karnevalszuges 1939 die Parole »Verboten – erlaubt« ausgab), erschien posthum ein Band mit kleinen humoristischen Erzählungen: Der Sillbund, Drei Eulen Verlag, Düsseldorf 1946.

[53] Wie eine späte und seltsam angestaubt daherkommende Auswirkung dieser bequemen Klischeevorstellung kam es mir vor, als, Zeitungsberichten zufolge, Anfang 2006 der Journalist Hendryk M. Broder nach einem verlorenen Prozess erklärte, »die Erben der Firma Freisler« seien wieder einmal am Werk gewesen. Es wird nun gegen Broder wegen Beleidigung ermittelt, womit Gelegenheit zu weiterer Verbreitung des sicher im Alterszorn gesprochenen Unfugs bestehen dürfte, vgl. DIE WELT, 6. Februar 2006, S. 11.

[54] Es scheint nicht sehr viele Richter im Dritten Reich gegeben zu haben, die anders dachten als die damalige Regierung und den Mut hatten, dies auszusprechen. Einer von diesen nicht sehr vielen war Lothar Kreyssig (30.10.1898 Flöha (Sachsen) – 5.7.1986 Bergisch Gladbach), der sich als Amtsrichter in Brandenburg (Havel) gegen die Tötung ihm als Amtsvormund anvertrauter behinderter Menschen wehrte. Als ihm der Justizminister Gürtner einen handgeschriebenen Führerbefehl vorlegte, erklärte er, ein Führerbefehl schaffe kein Recht und wurde in den Ruhestand versetzt und zwar unter Zahlung der gesetzlichen Versorgungsbezüge. Später war Kreyssig ua Präses der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union und rief als Vizepräsident Ost des Deutschen Evangelischen Kirchentages im April 1958 die »Aktion Sühnezeichen« ins Leben, vgl. Wolf Kahl, Lothar Kreyssig – Amtsrichter im Widerstand und Prophet der Versöhnung, DRiZ 2008, 299.

[55] Frankfurt 2005; als Audiocassette in der Hörspielbearbeitung von 1965 für den Hessischen Rundfunk von Hermann Naber unter der Regie von Peter Schulze-Rohr mit Fritz Strassner, Herbert Fleischmann, Hanne Hiob u.a., Der Hörverlag, ISBN 3-89584-112-9;

[56] Jacobus de Voragine, Legenda aurea, aus dem Lateinischen übersetzt von Richard Benz, 13. Auflage, Gütersloh 1999.

[57] Ein Beispiel ist der Richter Paschasius, vor den die heilige Lucia von ihrem Ehemann gezogen wird, weil die ihr Geld an die Armen verschwendet. Paschasius will sie zwingen, den römischen Göttern zu opfern. Er verurteilt sie, als Hure in einem Freudenhaus zu arbeiten. Aber 1000 Knechte und sogar Ochsen vermögen nicht, sie dorthin zu  zu bringen. Daraufhin lässt Paschaius, der später selbst hingerichtet wurde, sie erst mit Urin übergießen und ihr anschließend mit einem Schwert die Kehle durchbohren, vgl. Jacobus de Voragine, ebd., S. 27–29.

[58] Die Freigabe zur Prostitution war eine gegen Frauen häufiger angewandte Strafe und sexuell geprägter Sadismus bei Richtern offenbar keine Seltenheit:, vgl. Anne Jensen, Gottes selbstbewusste Töchter – Frauenemanzipation im frühen Christentum? Berlin, Hamburg, Münster 2003, S. 185 ff.

[59] Les Arts Florissants unter d. v. William Christie mit Daniel Taylor, Richard Croft u.a., Erato B0000A1M7P, 3 Cds.

[60] Umberto Eco: Der Name der Rose, Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber, München 1982; als Video-DVD unter der Regie von Jean-Jacques Annaud mit Sean Connery, F.Murray Abraham u.a., Warner Brothers/ Constantin, 3447695.

[61] Nicolas Aubin, Geschichte der Teufel von Loudun oder der Besessenheit der Ursulinen und von der Verdammung und Bestrafung von Urbain Grandier, Pfarrer derselben Stadt, aus dem Französischen übertragen von Dieter Walter, 2. Auflage Berlin 1981.

[62] Aldous Huxley, Die Teufel von Loudun, dtv, München 1985.

[63] Chor und Orchester der Hamburger Staatsoper unter d. Ltg. v. Marek Janowski, mit Tatiana Troyanos,  Cvetka Ahlin, Hans Sotin  u.a. Philips B00000133P, 2 CDs mit Textheft.

[64] Allen neuen Freunden des alten Irrtums, Folter sei ein geeignetes Mittel zur Verbrechensbekämpfung, sei das Studium des Falls Urbain Grandier empfohlen.

[65] Albert Camus, Der Fall, Roman, Aus dem Französischen übertragen von Guido G. Meister, Hamburg 1957.

[66] Der Erfolg der Sendungen mit Fernsehrichtern ist offenkundig umgekehrt proportional dem rechtlichen und tatsächlichen Gehalt der verhandelten Fälle; der Mangel an Einblicken in Recht und Leben wird allerdings kompensiert durch einen reichen Überfluss an Einblicken in die tief ausgeschnittenen Dekolletees von Zeuginnen und Angeklagten, vgl. dazu Melanie Amann: »Das Urteil lautet«, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 7. Juni 2009, Nr. 23/2009, S. 12.

[67] Pedro Calderón de la Barca, Dramatische Werke, die Höhepunkte seines Schaffens, Wien 1979, S. 19 ff.

[68] DEFA-Verfilmung von 1956 unter der Regie von Martin Hellberg mit Hans-Joachim Büttner, Gudrun Schmidt-Ahrends, Rolf Ludwig u.a., als Video bei Icestorm Entertainment, 10095; nicht nur den DDR-Oberen, auch den Nationalsozialisten passte der Typ Richter, der sich nicht viel um Gesetze schert: am 8. Januar 1937 wurde der Richter von Zalamea in einer Nachdichtung durch Wilhelm von Scholz am Schillertheater in Berlin uraufgeführt.

[69] Ulrich Wickert, Der Richter aus Paris, Eine fast wahre Geschichte, Hamburg 2003.

[70] Ulrich Wickert, Die Wüstenkönigin, Der Richter in Angola, Hamburg 2005.

[71] Bertolt Brecht, Der Kaukasische Kreidekreis, edition Suhrkamp Nr. 31, Frankfurt 1963; vgl. auch: Hanns Ernst Jäger, Bertolt Brecht – Songs, Gedichte, Prosa, 3 Lieder aus dem Kaukasischen Kreidekreis, Pläne Archiv Nr. 89003, CD.

[72] Bertolt Brecht, Der Kaukasische Kreidekreis, in: Stücke II, Berlin und Weimar 1973, S. 463 ff.

[73] Rolf Hochhuth, Unbefleckte Empfängnis, Ein Kreidekreis, Reinbek b. Hamburg 1988.

[74] Morris, Lucky-Luke, Bd. 31: »Der Richter«, o. J.

[75] Vgl. zum Bild des Amtsrichters: Karl Kroeschell, Der Amtmann, Zur Kulturgeschichte eines Juristenberufs, 2002, im Internet unter http://www. rewi.hu-berlin.de/online/fhi/articles/0210kroeschell/=210kroeschell.htm zitiert nach Weber, Festschrift für Adomeit, 809 ff. (824).

[76] Christoph Martin Wieland, Geschichte der Abderiten, Reclam Ditzingen, 1986.

[77]  Rundfunkchor Berlin, Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter d. Ltg. v. Karl Anton Rickenbacher mit Sir Peter Ustinov (Erzähler), Andreas Kohn, Eberhard Büchner u.a.: »Des Esels Schatten«, Der unbekannte Richard Strauss, Koch-Schwann 3-1792-2, CD mit Textheft.

[78] Philippides ist im Grunde ein versonnener, ja bei aller Empfindung für die Amtsmühen noch sonniger Charakter; ein Gegenstück ist der Amtmann von Lenzbach im Prinz Rosa-Stramin von Ernst Koch (* 1808 Singlis an der Schwalm, ✝ 1858 Luxembourg), den die tausend Glockenstimmen Gottes nicht zum Besuch der Sonntagsmesse verführen können, weil er sich als selbstquälerischer naturblinder und aktengläubiger Pedant  lieber mit Appelations-Extrajudizial- und Hämorrhoidalbeschwerden abarbeitet, vgl. Hermann Weber, Kurhessischer Obergerichtsreferendarius, Fremdenlegionär und Professor in Luxemburg, Ernst Koch – Ein Dichterjurist im Vormärz.

[79] Ein musikalisch und schriftstellerisch begabter Richter ist der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Wolfgang Neukirchner gewesen, der ua den Text des Schlagers Es gibt kein Bier auf Hawaii für Paul Kuhn schrieb, unter dem Pseudonym »Josua Röckelein«:

     Es gibt kein Bier auf Hawaii,

     es gibt kein Bier.

     Drum fahr ich nicht nach Hawaii,

     drum bleib ich hier.

     Es ist so heiss auf Hawaii,

     kein kühler Fleck,           

     und nur von Hula Hula

     geht der Durst nicht weg.

Als »Adolf von Klebsattel« verdiente er wahrscheinlich das meiste Geld, denn unter diesem Namen schrieb er die Texte zahlreicher Schlager des blonden Sängers Heino, z. B. »Blau, blau, blau blüht der Enzian.«, vgl. www.zeit.de/1993/16/Der-geistige-Vater-von-Heino.

[80] Dass der Richter gerade lieber etwas anderes täte als sein Urteil schreiben, zeigt Anton Pawlowitsch Tschechow  (29. Januar 1860 greg. in Taganrog, Russland – 15. Juli 1904 greg in Badenweiler) in der Humoreske Die Sirene, in der ein Gerichtspräsident nach der Sitzung des Gerichts versucht, sein Votum zu Papier zu bringen: Vergeblich, weil sein Sekretär Shilin »ein kleines Männchen mit Bartansätzen bei den Ohren und süßem Gesichtsausdruck« ununterbrochen und in den schönsten Ausmalungen vom bevorstehenden Essen spricht.

[81] In Antonio Machados (1875–1939) Gedicht Un criminal (Soledades CVIII) klingt etwas von der unnachgiebigen, ja unerbittlichen  Härte gerade der ehrenamtlichen Richter an, die aus dem gutem Einvernehmen mit der  Härte des Wetters, des Schicksals und des gesunden Volksempfindens zusätzlich Kraft gewinnt

Un Criminal – Ein Verbrecher

 

     Der Angeklagte fahl und glattrasiert

     In seinen Augen ist viel dunkle Glut,

     die seine Knabenmaske lügen straft

     und die Gebärden frommer Mäßigung.

 

     Vom düstern Priesterseminar hat er die Mine

     der Bescheidenheit und auch den tief

     zur Erde oder ins Brevier gesenkten Blick behalten.

 

     Verehrer Mariens,

     der Mutter der Sünder,

     in Burgos Examen in Theologie,

     bereit für die niederen Weihen.

 

     Grausam war sein Verbrechen. Er war eines Tages

     satt aller göttlichen wie die profanen Texte,

     und es reute ihn alle die Zeit,

     vertan mit lateinischen Hyperbatons.

 

     Plötzlich verliebt in ein schönes Mädchen

     und die Liebe steigt ihm zu Kopf

     wie der goldene Rebensaft

     und weckt seine wilde Natur.

 

     In Träumen sieht er die Eltern – Landarbeiter

     und Pächter – beleuchtet

     von roten Reflexen am Herd

     die gebräunten Landmannsgesichter.

 

     Er wollte erben. Oh Nüsse und Kirschen

     des Bauerngartens, schattig und grün,

     Ähren vom Golde des Weizens,

     überquellende Kornkammern.

 

     Und entsann sich der Axt, die hing

     an der Mauer, glänzend, geschliffen,

     der starken Axt die das Brennholz hieb

     von den Ästen der Eiche.

 

     … 

     Ihm gegenüber die Richter in alten

     vertrauerten Roben;

     und eine Reihe aus düsteren Brauenfalten

     plebejisches Antlitz: die Schöffen.

 

     Der Verteidiger im Plädoyer,

     schlägt mit der Faust auf das Pult;

     ein Schreiber bekritzelt Papier,

     und der Staatsanwalt hört ohne Rührung

     die sonore emphatische Rede,

     durchblättert die Akten

     oder liebkost mit den Fingerspitzen

     die sauberen Gläser der Goldrandbrille.

 

     Ein Saaldiener sagt: »Den knüpfen sie auf, das ist sicher.«

     Der junge Rabe erwartet Milde.

     Einer aus dem Dorf, Galgenvogel, hilft der strengen

     Gerechtigkeit, das Böse auszumerzen.

[82] Oskar Jellinek, Hankas Hochzeit, Novellen und Erzählungen, hrsg. von Wulf Kirsten, Berlin 1980.

[83] Eines der vielen modernen Beispiele ist der Richter Daniel Savage in: Tim Parks, Doppelleben, Roman, aus dem Englischen von Michael Schulte, München 2003.

[84] Deutsches Symphonieorchester Berlin unter d. Ltg. v. Gerd Albrecht mit Roland Hermann, Claudia Barainsky, Johann Werner Prein u.a., Der zerbrochene Krug, Orfeo C 419 981 A, CD mit Textheft.

[85] Miguel de Cervantes Saavedra, Don Quixote von La Mancha, Zürich 1992, Zweiter Teil, 42. Kap.

[86] »Mentele scolen se uppe den sculderen hebben« heißt es im Sachsenspiegel, Drittes Buch, Art. 69 § 1; vgl. Sachsenspiegel oder Sächsisches Landrecht mit Übersetzung und reichhaltigem Repertorium von Dr. Carl Robert Sachse, Heidelberg 1848, reprint o.J., Reprint-Verlag, Leipzig.

[87] Niemand muss Sorge haben, das irgendwie überlebt wirkende Kleidungsproblem würde eines Tages verschwinden oder auch nur die Kraft verlieren, den ernstesten Streit zu verursachen. Es handelt sich um eine anthropologische Konstante, vgl. den Bericht von Melanie Amann: Nicht ohne den Langbinder – Zwei Rechtsanwälte kämpfen gegen die Krawattenpflicht vor Gericht, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Donnerstag, 22. Januar 2009, Nr. 18, S. 9: Ein Amtsrichter verbannte im Oktober 2008 den Rechtsanwalt Säftel durch Beschluss aus dem Gerichtssaal: »Rechtsanwalt Säftel trägt keinen Langbinder.« Rechtsanwalt Säftel fand, Anzug und Lederschuhe müssten reichen, eine Krawatte habe er gar nicht und außerdem sei er immer noch stilvoller gekleidet als der Richter in Jesuslatschen und weißen Socken.

[88] Jules Verne, Le tour du monde en 80 jours, Librairie Générale Francaise, Paris 2000, 15. Kap.

[89] Bertolt Brecht, Der Kaukasische Kreidekreis, in: Stücke II, Berlin und Weimar 1973, S. 463 ff.

[90] Dass die Bekleidung den Beruf macht, gilt nicht allgemein: Cucullus non facit monachum! sagt der Narr in der 5. Szene des Ersten Aktes von Shakespeares Was Îhr Wollt und fügt hinzu: Das will soviel sagen wie: Mein Gehirn ist nicht so buntscheckig wie mein Rock! – Vielleicht kommt es beim Narren und beim Mönch wirklich mehr  darauf an, dass sie es richtig in sich haben als, wie bei Richtern, dass sie das Rechte richtig an sich tragen.

[91] Eines der vielen literarischen Beispiele für diesen schlichten Befund haben wir in der Ballade Die Hexe von Felix Dahn (1834–1912), der nicht nur Dichter (ua von Balladen) war, sondern auch Professor für Rechtsgeschichte, der sich mit »Studien zur Geschichte der germanischen Gottesurteile« habilitiert hatte:

„Wenn du ein Hexlein richten soll’t, blick’ nicht ihr in die Augen,
Sonst wird dein töricht Herz ihr hold, kann nicht zum Richten taugen.
Das hat den Burggraf von Tirol geführt in Tod und Schande:
Der war ein junger Ritter wohl und Richter in dem Lande.
Zu Bozen an dem schwarzen Stein, da saßen Schöffen elfe: –
›Die Hexe muß verbronnen sein‹ – sprach er – so Gott mir helfe.«

Als der Burggraf und Richter der als Hexe angeklagten Frau dann doch in die »nachtsüßen« Augen sieht, will er von einer Verurteilung nichts mehr wissen. Aber die Schöffen stoßen die Hexe ins Wasser. Der Richter springt ihr nach: Beide ertrinken, zit nach Dahn: Balladen. Deutsche Lyrik von Luther bis Rilke, S. 18119; vgl. Dahn-GW Bd. 5, S. 356; http://www.digitale-bibliothek.de/band75.htm.

[92] Paulus, Römerbrief, 2,1.

[93] Meister Franz Rabelais der Arzenei Doctoren Gargantua und Pantagruel, Aus dem Französischen verdeutscht durch Gottlob Regis, München 1964. Drittes Buch, 39. Kap.

[94] Siehe oben.

[95] Chor der Staatsoper Dresden/Staatskapelle Dresden unter d. Ltg. v. Otmar Suitner mit Hermann Prey, Anneliese Rothenberger, Peter Schreier u.a., Die Hochzeit des Figaro, Deutsch von Hermann Levi, Berlin Classics 0020962, 3 CDs mit Textheft.

[96] Die ganze Geschichte ist dokumentiert in Beaumarchais, Oeuvres, hersg. von Pierre Larthomas und Jacqueline Larthomas, Bibliothèque de la Pléiade, Gallimard, Paris 1998, S. 1504 ff.

[97] Vgl. Beaumarchais, Mémoires contre Goezman, in Beaumarchais, Oeuvres, hersg. von Pierre Larthomas und Jacqueline Larthomas, Bibliothèque de la Pléiade, Gallimard, Paris 1998, S. 673 ff.; die Mémoires erschienen in ganz Europa, Goethe entnahm ihnen den Stoff und weite Teile des Textes für sein Jugenddrama Clavigo; vgl. zu allem auch: Schmitz-Scholemann, Figaros Rache, Deutschlandfunk 2003.

[98] Pierre Augustin Caron de Beaumarchais, La folle journée ou Le Mariage de Figaro, Texte integrale, Paris 1998.

[99] Meine Übersetzung erlaubt sich einige Freiheiten, für eine worttreue Übersetzung siehe: Beaumarchais, Figaros Hochzeit, Deutsch von Gerda Scheffel, Frankfurt a. M. 1976.

[100] Auf Video-DVD: »Is’ was, Doc?«, Regie und Story Peter Bogdanovich, Screenplay Buck Henry, David Newman u. Robert Benton, mit Barbra Streisand und Ryan O’Neill, Warner Brothers 104195.

[101] Albert Camus, Der Fall, Roman, aus dem Französischen übertragen von Guido G. Meister, Hamburg 1957.

[102] Übrigens dürfte es kaum ein literarisches Genre geben, in dem so wenig über Gerechtigkeit geschrieben wird, wie die juristische Fachliteratur.

[103] Franz Kafka, Der Prozeß, Roman, Frankfurt am Main, Hamburg 1960.

[104] Eine interessante Deutung des Romans als einer Art Prophetie der immer mehr in strukturelle Aporien führenden Überkomplexität  des materiellen Rechts und des Verfahrensrechts am Beginn des 21. Jahrhunderts hat  jetzt Klaus Lüderssen  mit seinem Essay »Die düstere Poesie des Paradoxen im Recht« vorgelegt (FAZ, 11. Februar 2006, S. 45).

[105] Der Prozeß wurde 1963 von Orson Welles verfilmt mit Anthony Perkins, Jeanne Moreau und Romy Schneider und ist als DVD (»Le procès«) bei studiocanal EDV 29 – 302 175-3 (leider nur in Frankreich) erschienen.

[106] Herbert Rosendorfer, Ballmanns Leiden oder Lehrbuch für Konkursrecht, dtv, München 1998.

[107] Nur einer sei genannt: Das Urteil nach dem Roman von John Grisham unter der Regie von Gary Fleder mit Gene Hackman, John Cusack und Dustin Hofman, DVD: 20th Century Fox/Regency F2-SDE 2426708.

[108] Seit 2007 gibt es auch ein Court-room-Computerspiel. Es heißt »Pheonix Wright, Ace Attorney: Justice for all« und läuft auf Nintendo DS (von Capcom).

[109] William Gaddis, Letzte Instanz, Roman, Deutsch von Nikolaus Stingl, 2. Auflage, Reinbek 2003.

[110] Sehr beeindruckend der alte Spencer Tracy in dem 1961 gedrehten Film Das Urteil von Nürnberg unter der Regie von Stanley Kramer mit Burt Lancaster, Richard Widmark, Maximilian Schell, Montgomery Clift, Marlene Dietrich u.a., als DVD bei Metro-Goldwyn-Mayer 10003317 MZ5.

[111] Angesichts der besonderen Bedeutung der Richterpersönlichkeit im Case-Law-System ist es nicht erstaunlich, dass die anglo-amerikanische Kultur in besonderem Maße vorbildgebende Richterpersönlichkeiten hervorbringt, im echten Leben wie in der lebendigen Fiktion, vgl.nur Blumenwitz, Einführung in das anglo-amerikanische Recht, 7. Auflage, München 2003, S. 11–62.

[112] Vgl. Fikentscher, Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung, Bd II, Anglo-Amerikanischer Rechtskreis,, 1975, S. 151 ff.; ders. Rechtswissenschaft und Demokratie bei Justice Oliver Wendell Holmes, 1970; Radbruch SJZ 1946, 25; Frankfurter, Mr. Justice Holmes and The Supreme Court 1961.

[113] 1839–1914, Begründer des sog. »amerikanischen Pragmatismus«, vgl. Charles Sanders Peirce, Vorlesungen über Pragmatismus, mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Elisabeth Walther, Hamburg 1991.

[114] Dass hinter dieser Haltung Seelenarbeit steckt, zeigt das Privatleben eines pensionierten englischen Richters, geschildert von Charles Morgan, Der Richter, Roman, übertragen von Herberth E. Herlitschka, Frankfurt am Main und Hamburg 1957.

[115] The D’Oyly Carte Opera Company/ Orchestra of the Royal Opera House, Covent Garden,, unter d. Ltg. v. Bridget D’Oyly Carte, mit Ann Hood, Thomas Round, John Reed u.a., DECCA 473-665-2, 2 CDs (mit: The Yeomen Of The Guard).

[116] Einen Richter, der durch Liebe, oder wenigstens doch durch ein Eheangebot Gerechtigkeit herzustellen versucht, finden wir auch bei Johann Wolfgang von Goethe in dem Drama Die natürliche Tochter.  Der »Gerichtsrat« – einen Namen erfahren wir nicht – erklärt sich bereit, Eugenie, die uneheliche (»natürliche«) Tochter eines Herzogs vor den mörderischen Nachstellungen ihres Halbbruders und Erbkonkurrenten durch bürgerliche Ehe zu retten. Eugenie ist einverstanden, unter der Bedingung, dass die Ehe nicht vollzogen wird, Goethe, Sämtliche Werke in 18 Bänden (Artemis-Gedenkausgabe), Zürich 1977, Bd. 6, S. 315 ff., vgl. auch Karl Otto Conrady, Goethe, Leben und Werk, Ausgabe 2006, Patmos-Verlag, Düsseldorf 2006, S. 744 ff.

[117] Für wichtige Hinweise danke ich: Kai Agthe, Naumburg/Halle, Knut Bröhl, Erfurt/Köln, Ulrike Brune, Weimar/Erfurt; Hans Hachmann, Karlsruhe, Wulf Kirsten, Weimar, Martin Roeber, Herxheim, Hans-Joachim Strauch, Jena/Weimar, Hermann Weber, Berlin/Bad Vilbel, Hildegard Wenner, Köln, Mario Wiegand, Weimar.

[118] Meine Übersetzung beansprucht keine Treue gegenüber dem Original und auch sonst keinen Preis, sondern versucht lediglich den Sinngehalt auf deutsche Verhältnisse zu übertragen.

 

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