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Sie hat es wieder getan! Kirche und Arbeitsrecht (01.04.24)

Erneut ist die katholische Kirche mit einem aussichtslosen Fall in den Kampf um ihr vermeintliches Recht gezogen. Wieder ging es um eine Kündigung wegen Kirchenaustritts. Diesmal traf es eine Mutter von fünf Kindern. Sie arbeitete in der Schwangerschaftsberatung bei einem kirchlichen Verein. Gegen ihre Arbeit gab es keine Einwände. Sie trat aus, weil sie nicht einsehen wollte, dass sie außer der Kirchensteuer auch noch das sogenannte Kirchgeld zahlen sollte. Dieses Kirchgeld wird im Bistum Limburg fällig, wenn eine katholische Frau mit einem deutlich besser verdienenden Mann verheiratet ist, der nicht kirchensteuerpflichtig (also z.B. ungläubig) ist.

Die Frau wehrte sich gegen ihre fristlose (!) Kündigung. Beim Arbeitsgericht bekam sie Recht, in der zweiten Instanz ebenfalls. Die Kirche gab sich nicht zufrieden und ging in die Revision zum Bundesarbeitsgericht. Das sah den Fall genauso wie die Vorinstanzen. Es hat den Fall aber mit einem am Gründonnerstag (27.3.) veröffentlichten Beschluss dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Offenbar deshalb, weil in Fragen des Kirchenarbeitsrechts Uneinigkeit zwischen dem deutschen Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof besteht.

Das Bundesverfassungsgericht sagt seit Jahrzehnten, dass kirchliche Unternehmen selbst bestimmen können, wie sie auf Kirchenaustritte ihrer Arbeitnehner reagieren, die Arbeitsgerichte dürften solche Entscheidungen der Kirche nicht ernsthaft kontrollieren. Anders sieht es das dem deutschen übergeordnete europäische Recht. Danach können Kirchen zwar besondere „ethische“ Anforderungen an ihre Mitarbeiter stellen, aber nur dann, wenn die betreffende Tätigkeit dies erfordert.

Dürfen katholische Organisationen nach diesem Maßstab von ihren Schwangerschaftsberaterinnen verlangen, dass sie katholisch sind? Der Europäische Gerichtshof hat das bisher noch nicht entschieden. Es ist allerdings aus vielen Gründen absehbar, dass er die Frage verneinen wird. Einer der Gründe besteht darin, dass die katholische Kirche das Katholischsein selbst nicht als erforderlich für die Schwangerschaftsberatung ansieht: Auch der katholische Arbeitgeber der Klägerin beschäftigt dort nichtkatholische Arbeitnehnerinnen. Nur „Ausgetretene“ nicht.

Davon abgesehen ist die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche nachgewiesenermaßen keine Garantie für christliche Praxis und Anschauung, noch nicht mal beim Klerus. Das Online-Portal „katholisch.de“ meldete im Dezember 2023, dass nur 4 (!) von 100 eingeschriebenen Katholiken sich selbst als gläubig und kirchennah betrachten.

Was die Kirche mit dem Prozess um die Schwangerschaftsberaterin erreicht, ist nichts Gutes. Sie panzert sich mit teuren Rechtsgutachten für Kämpfe, die sie nicht gewinnen kann, und setzt mit der bürokratischen Kälte eines Milliarden-Unternehmens eine Familie mit fünf Kindern über Jahre unter Prozessdruck. Das ist einfach nur schäbig.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist abrufbar unter

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/2-azr-196-22-a/

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