kurze ansprache des alten
rundfunkredakteurs an die autorin
ich brauche etwas über die seele von ihnen
ja ja über die seele
schließlich haben wir november
etwa drei minuten über die seele
allenfalls drei zwanzig
und zum vortrag geeignet
also kurze sätze
keine großen sprünge
und packen sie nicht zuviel hinein
kein blut keine schüsse
und keine komplizierten schlüsse
„nicht mehr als ein kohlweißling
wie er im juni über jedes kartoffelfeld fliegt“
lassen sie alles aus dem spiel
was schwermut verursachen könnte
das wetter ist trübe genug
also keine lyrik und keine psychologie
am besten sie verzichten
auf jede form von inhalt
lachen sie nicht
das ist eine ernste kunst
nicht die orange ist das thema
sondern das seidenpapier in das sie eingewickelt ist
nicht der schnee zählt
sondern das weiß
in dem er sich versteckt
das wort ist nicht wichtig
sondern die stimme
sagen sie: niemand weiß
was die seele ist
ob sie ein hormon ist
oder ein roman
oder eine notwendige unmöglichkeit