Manchmal sind Äußerlichkeiten entscheidend für den Erfolg (01.07.22)
Als ich mich vor mittlerweile 40 Jahren in Düsseldorf um eine Stelle als Arbeitsrichter bewarb, hatte ich mich wie jeder Aspirant einer Kommission von höheren Beamten und Richtern vorzustellen (nur Männer damals). Das Gespräch verlief angenehm, ich hatte das sichere Gefühl fachlich eine gute Figur gemacht zu haben und war daher nicht überrascht, dass ich alsbald eingestellt wurde. Kurz nach meiner Pensionierung begegnete ich bei einem arbeitsrechtlichen Kongress einem der Herren, die seinerzeit über meine Bewerbung zu entscheiden hatten. Auf meine Frage, was denn den Ausschlag für mich gegeben habe, sagte er: »Ihr Jackett! Es war dermaßen gestreift und kariert, dass wir uns dachten, wer sich traut, mit so einer Clownsjacke zu erscheinen, hat auf jeden Fall die für das Richteramt nötige Courage.«
Dass meine fachliche Qualifikation weniger Eindruck als meine Kleidung gemacht hatte, betrübte mich. Außerdem war das karierte Jackett damals mein einziges, ich hatte es eigens als in meinen Augen besonders edles Teil für das Vorstellungsgespräch gekauft. Später habe ich diesem und allen weiteren karierten Jacketts, die ich noch kaufen sollte, ein trotziges Gedicht gewidmet. Es lautet so:
Mein Jackett
Mein Jackett ist breit in den Schultern,
schwere englische Wolle, du riechst
die Schafe, aufgesetzte Taschen,
einreihig geknöpft, es ist Platz darin
wie in einer Altbauwohnung,
die Odyssee geht zweisprachig rein,
dazu noch ein Apfel, ein Notizbuch
und Tabak.
Mein Jackett ist immer hungrig,
es frisst Feuerzeuge und Zettel,
Bleistifte und Streichhölzer,
Visitenkarten, Adressen,
Zeitungsausschnitte, kleine Frauen
und Kronkorken aller Altersstufen,
mein Jackett ist gestreift und kariert und ein
Königreich.