Zum Glück fehlt mir nichts: nur Du (15.05.20)
Eine Buchankündigung in eigener Sache
Als der römische Dichter Horaz (65 – 8 v. Chr.) sein Ende nahen fühlte, wollte er etwas schreiben, »das niemand entbehren kann, weder Arm noch Reich, weder Jung noch Alt«. Herausgekommen sind über 20 literarische Briefe voller Weisheit, Lebenslust und hintergründigem Humor. Ihre Aktualität und Faszination ist bis heute ungebrochen. Es gibt nur ein Problem: Horaz konnte kein Deutsch. Er schrieb das Latein des 1. Jahrhunderts vor Christus. Und die meisten Übersetzungen ins Deutsche versteht man kaum.
Dem wollte ich abhelfen. Ich habe versucht, die raffiniert gebauten lateinischen Verse in eine unaufdringlich rhythmisierte deutsche Prosa zu bringen. Ich wollte die Lektüre des 2000 Jahre alten Textes zu einem ästhetischen und moralischen Vergnügen für Leserinnen und Leser des 21. Jahrhunderts machen. Ob mir das gelungen ist? Einige Leute, deren Urteil ich traue, haben Ja gesagt, zum Beispiel Wulf Kirsten und Wolfgang Haak und mein Verleger Thomas Pago.
Uwe Tellkamp hat zu meiner großen Freude eigens für diese Ausgabe ein ausführliches Vorwort geschrieben. Es heißt »Lebensschrift« und macht den römischen Dichter auf verblüffende Weise zu einem Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts, der poetische Betrachtungen u. a. über Briefzustellung, Rundfunkgebühren und das Elend des Fernsehprogramms anstellt.
Worum geht es in den Briefen des Horaz? Kurz gesagt, um das Glück, um die Frage, wie man glücklich wird. Es geht um das richtige Leben – auch im Angesicht des jederzeit möglichen Endes. Seine Botschaften kleidet Horaz nicht in die Form der üblichen wohlfeilen Ratschläge. Er nimmt seine Leser nicht als Schüler, sondern als Gesprächspartner. Er ist ein Großstädter und die Ironien des Lebens, auch die eigenen Schwächen, sind ihm nicht fremd: In der Stadt sehnt er sich in sein Landhaus und auf dem Land vergeht er vor Lust aufs Getriebe der Stadt. »Tugend ist dies: Die Mitte zwischen den Lastern halten.« In seinen Briefen geht es um die ewigen Feinde des Menschen: Geiz und Neid, Genusssucht und Eitelkeit, Leidenschaft und Tod. Aber auch um seine Freunde: Natur und gutes Essen, Freundschaft, Liebe und Weisheit, Gespräch und Wein, Tugend und Dichtung. Es sind keine systematischen Abhandlungen, sondern es ist ein luftiger Reigen von Bildern und Gedanken, Gesten und Ermahnungen. Horaz lässt es sich gern gut gehen und freut sich, wenn andere seine Freude teilen: »Ich meinesteils bin rund, meine Haut ist gesund, ich glänze rosig und fett wie ein Ferkel aus epikuräischer Zucht – wenn Du Lust hast zu lachen, komm zu Besuch!«
»Und zum Glück fehlt mir nichts – nur Du. Die Briefe des Horaz«
Mit einem Vorwort »Lebenschrift« von Uwe Tellkamp
Elsinor-Verlag Coesfeld 2020 – 116 Seiten, broschiert, 14 Euro
Enthält eine Zeittafel und ein Nachwort des Übersetzers