Altern als Problem für kluge Eichhörnchen (15.04.25)
Zwei Eichhörnchen aus dem Park wollten ein Buch schreiben. »Die Theorie des Knackens von harten Nüssen.« Das sollte der Titel sein. Sie gaben sich viel Mühe und verbrachten endlose Stunden in einer Astgabel. Aber sie kamen nicht richtig voran. Entweder es reimte sich, dann gab es keinen Sinn. Oder es schien Sinn zu haben, dann war es erstens nicht der, den sie eigentlich meinten, oder es kam dem zwar sehr nahe, aber dann, weiß Gott!, dann reimte es sich überhaupt nicht und hatte auch keinen Takt zum Mitklopfen oder sonst irgendeine anmutige Eigenschaft. Das war jedenfalls die Meinung eines oberhalb der Astgabel arbeitenden Spechts.
»Man kann«, sagte ein älterer männlicher Eichkater, der an der Astgabel vorüberkam und die Diskussionen der beiden Schriftsteller und die Kritik des Spechts mit einem Ohr gehört hatte, »man kann auch Bücher ohne Reime schreiben! Ich will mich nicht aufdrängen, aber ich habe mich ziemlich lange mit Literaturtheorie beschäftigt, und zwar zu einer Zeit, als ihr beide, also, ohne euch belehren zu wollen …«. »Das wissen wir,« sagten die beiden Eichhörnchen, »aber unser Ziel ist es eben, ein Gedicht zu schreiben. Es gibt da eine große Tradition des Lehrgedichts, Solon, Lukrez und ein Engländer, dessen Name mir jetzt gerade entfallen ist.«
Der Specht schien verwundert zu sein, jedenfalls äußerte er sich nicht. »Man kann«, sagte wiederum der ältere Eichkater, der immer noch an der Astgabel stand, »man kann ganze Gedichte ohne Reime schreiben, man kann sogar, und jetzt hört mir gut zu, man kann sogar Gedichte ohne Sinn schreiben, die einen heißen Gedichte ohne Sinn und Form, die anderen Gedichte ohne Sinn und Verstand. Das gibt es alles. Und man kann nicht sagen, das eine ist gut und das andere ist schlecht, im Gegenteil ich würde immer sagen, das eine ist schlecht und das andere … auch!« Und mit diesem, wie er selber fand, sehr gelungenen Scherz verabschiedete sich der ältere Eichkater.
»Das wissen wir, dass du so denkst, du Miesmacher!«, riefen ihm die beiden Eichhörnchen nach, »Aber unser Ziel ist ein Lehrgedicht, das ist ein versunkenes Genre, also ein Text, und wir haben den Anspruch, der Text soll schön sein wie ein Hölderlin-Vers und nützlich wie ein Kochbuch, beides, verstehst du!« Aber das hörte der alte Knacker schon nicht mehr, denn er hatte es eilig.
Nun, wie ging die Geschichte weiter? Ich weiß es nicht genau. Ich bin kein Eichhörnchen und kein Verfasser von Lehrgedichten. Und man muss ehrlicherweise auch sagen: Es ist nicht einmal sicher, dass die beiden Eichhörnchen lebend über den Winter gekommen sind. Eichhörnchen werden nicht alt. In Gefangenschaft bis zu zehn Jahre, in Freiheit manchmal nur zwei. Es ist also kein Wunder, dass fast die gesamte Literatur der Eichhörnchen in Unfreiheit geschrieben wurde. Deshalb fand ich es wichtig, diese kleine Geschichte aufzuschreiben, zur Ermutigung für alle jungen Schriftsteller und zur Ermahnung für alte Sohlengänger: Ein Zeichen der Zuversicht in dunklen Zeiten … Es ist genau deshalb, dass es … Immerhin empfinde ich es als verpflichtend, wenigstens das Gedächtnis der beiden mutigen Schriftsteller wachzuhalten. Deshalb habe ich den folgenden Vierzeiler verfasst, mit dem ich die Quintessenz aus meiner Sicht formuliert habe. Das Gedicht ist Skiouros und Vulgaris gewidmet, den Poeten von der Astgabel.
Das Knacken von Nüssen – Versuch einer Theorie
In memoriam Skiouros und Vulgaris
Schaut her und seht,
Wie genussvoll wirs treiben!
Wir wissen wies geht,
Doch konnten wirs nie beschreiben.
Drum ließen wirs schließlich bleiben.