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How The Sushi Bar Got Its Name – Für Leon Grodsky (15.11.19)

Ende der 90er Jahre lernte ich Leon Grodsky de Barrera kennen. Er stammt aus Smithtown/Long Island in den USA und lebte damals als Student teilweise in Köln, überwiegend aber in Paris. Heute betreibt Leon in Durham/North Carolina zusammen mit seiner Frau Areli Cafés. Er hat sich als ein genialer Unternehmer erwiesen, seine Café-Ideen treiben ihn 24 Stunden am Tag um und er unternimmt dafür Reisen in alle Welt, sogar nach Thüringen und in die Eifel. Bevor er sich mit Café beschäftigte, arbeitete Leon als Video-Künstler und wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Eines seiner berühmtesten Werke heißt »Great Balls of Fire«. Es besteht aus Bild-Sequenzen, die Leon am 11. September 2001 vom Attentat auf das World Trade Center machte, als er zufällig auf dem Dach eines Hauses in Brooklyn stand. Die Sequenzen mischte er mit Straßenszenen aus New York, die kurz nach dem Attentat aufgenommen wurden. Der Film lief vor einigen Jahren auch im Weimarer E-Werk. Im Jahr 2010 gründete Leon eine Internet-Seite mit dem Titel »The-Sushi-Bar«. Wie es zu diesem Namen kam, habe ich damals auf Leons Bitte aufgeschrieben.

How The Sushi Bar Got Its Name – Für Leon Grodsky

In Paris gibt es schachtelförmige Gebilde, die in etwa die Größe einer geräumigen Telefonzelle haben, im Gegensatz zu dieser jedoch über einen – meist tropfenden – Wasserhahn und eine in der Regel feuergefährliche Kochgelegenheit verfügen. Diese Gebilde befinden sich in den obersten Etagen zentral gelegener Miethäuser und werden von ehrenwerten Bürgern (z. B. Regierungsbeamten oder Feuilletonisten) für sittenwidrig hohe Quadratmeterpreise (aus purer Freundschaft und deshalb ohne Vertrag und Quittung) vermietet. Sie heißen nach ihrem Erfinder, dem Architekten Francois Mansart (1598–1666), Mansarden und dienen der Bourgeoisie zur Aufbewahrung a) ihrer Hausmäuse b) ihrer sperrmüllreifen Möbel und c) der großen Talente aus aller Welt, die dem künstlerischen und kulturellen Leben der Stadt jenes besondere Summen und Flirren geben, das Paris so unwiderstehlich macht. Anscheinend ist die Demut, die dazu gehört, in einer Pariser Mansarde zu leben, Voraussetzung für das Entstehen von Kunst. In solchen Mansarden malten die Impressionisten, dichtete Baudelaire, sang George Brassens, und in einer solchen Mansarde, 5, rue de Latran, einen Steinwurf von der Seine und von Shakespeares & Company entfernt, wohnte Leon, als ich ihn 1998 in Paris besuchte. Er war erstaunlich komplett eingerichtet, mit Fernseher, Kühlschrank, Bücherbord, einem Schreibtisch, Bett und Stuhl. Der Raum beinhaltete sogar eine von der Vermieterin großzügiger Weise gratis zur Verfügung gestellte Klobrille (für den auf dem Flur gelegenen Sozialabtritt). Die Bude war also, wie man in Frankreich wohl sagt, plein comme un œuf, und ich kann mir bis heute nicht erklären, wie es möglich war, daß Leon und ich nebeneinander darin sitzen konnten und eins seiner ersten Videos anguckten, Rotwein tranken und über ein Drehbuch diskutierten, an dem Leon damals schrieb. Trotzdem, scheinbar wider alle Naturgesetze, war in diesen 7 oder 8 Kubikmetern noch freier Raum vorhanden, und zwar zwischen der Unterseite des Hochbettes und den auf dem Boden liegenden Matratzen, etwa im Volumen von drei Koffern. »Was für eine gigantische Raumverschwendung! Hier kann etwas Großes entstehen!« spottete ich. »Aber was?« fragte Leon und tat, als ob er meinen Spott nicht bemerkt hätte. Ich wollte etwas besonders Unmögliches vorschlagen und sagte: »Eröffne doch eine Sushi-Bar!«

Genau das hat Leon getan. Ich hätte es ahnen müssen. Schließlich wohnte er in einer Pariser Mansarde. Herzlichen Glückwunsch, sehr geehrter Herr Grodski!

 

Leon Grodsky de Barrera und ich

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